Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) war an der Aufklärung des Missbrauchsfalls von Staufen beteiligt und hat die Hintermänner der Kinderporno-Plattform "Elysium" aufgespürt. Ihr Sprecher erklärt t-online.de, wie Verbrecher im Darknet gejagt werden.
ZI T-Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk erklärt im Gespräch mit t-online.de, wie die Ermittler gegen Kinderpornos und Kindesmissbrauch im Darknet vorgehen. Gemeinsam mit acht Kollegen verfolgt er Verbrecher im Darknet – und im frei zugänglichen Internet. Es geht dabei um schwere Delikte wie Waffen - und Drogenhandel – und um Kinderpornografie und Missbrauch. Die Frankfurter Zentralstelle gehört zu den größten Strafverfolgungsbehörden für Internetkriminalität in Deutschland.
Im Fall des Staufener Pärchens gab ein Darknet-Nutzer den Strafverfolgern den entscheidenden Tipp: Er hatte über einen geheimen Chat im Darknet, der nur über einen Tor-Browser zugänglich ist, von einem Pärchen erfahren, die den Sohn der Frau Männern zum Missbrauch anboten. Dieser Nutzer gab dem Bundeskriminalamt (BKA) einen Hinweis. Das BKA wiederum wendete sich an die Staatsanwälte in Hessen, die auf Internetkriminalität spezialisiert sind und das Pärchen schließlich in Staufen bei Freiburg ausfindig machen konnten.
Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk beim Prozessauftakt gegen vier mutmaßliche Betreiber der "Elysium"-Plattform in Limburg. (Quelle: Thomas Frey/dpa)
Hinweise aus den USA auf Kinderpornos im Netz
"Diese Fälle im Darknet sind aber relativ selten", erklärt Ungefuk. Viel öfter gebe es Hinweise von US-Internet-Providern auf Kinderpornografie, da diese gesetzlich dazu verpflichtet seien, solche Fälle zu melden – auch nach Deutschland.
Ein Problem bei der Strafverfolgung sei, dass viele Kinderpornoforen als "Eintrittsgeld" einschlägige Bilder oder Videos verlangen. Strafverfolger machen sich aber strafbar, wenn sie diese anbieten. Eine mögliche Lösung könnten hier Computeranimationen sein. Doch die Entscheidung über deren Einsatz liege beim Bundesjustizministerium und dem Bundestag, so Ungefuk. "Hier gibt es noch keine Rechtsgrundlage", erklärt er.
Ein Programmierfehler verriet das "Elysium"-Forum
Im Fall des "Elysium"-Forums, in dem sich über 100.000 Kinderporno-Anbieter und -nutzer trafen, führte ein Programmierfehler die Ermittler auf die Spur der Betreiber. "Darüber ließ sich die IP-Adresse des Servers auslesen", erklärt der Staatsanwalt. Die Betreiber selbst hatten keine tieferen I T-Kenntnisse, der Fehler im Programm fiel ihnen nicht auf. Der Server fand sich schließlich in einer Autowerkstatt. Gegen vier der Betreiber begann jetzt der Prozess.
Solche Fehler seien aber sehr selten. "Es war der einzige Fall bis jetzt", gibt Ungefuk zu. "Diese Szene hat allgemein ein sehr hohes Sicherheitsbewusstsein."
Kinderpornokontakte per Videotext
Im Darknet selbst tummelt sich laut den Strafverfolgern eher die internationale Szene. Aber auch im frei zugänglichen Internet würden Kinderpornos getauscht. Die Kommunikation laufe hier über WhatsApp, Facebook Messenger oder auch per E-Mail, so Ungefuk. Sogar per Videotext würden einschlägige Kontakte hergestellt. Oft würden auch Mailing-Listen mit Links verschickt, unter denen das Kinderpornomaterial zu finden sei. Diese müssen von den Mitarbeitern der Kriminalpolizei infiltriert werden.
Urteil im Prozess nach jahrelangem Kindesmissbrauch in Freiburg. (Quelle: Patrick Seeger/dpa)
Auch Waffen würden im Darknet angeboten. Allerdings nicht mehr so offen wie früher. Auch der Münchner Amokläufer hatte sich seine Waffe im Darknet beschafft, allerdings brauchte er dafür mehrere Anläufe.
Waffenhandel läuft über Treuhänder
"Hier geht es in der Regel um größere Geldmengen", erklärt Ungefuk. Der Deal laufe in der Regel über mehrere Personen, ein Treuhänder steuere den Austausch von Waffe und Geld. Im Fall des Münchner Amokläufers war jedoch kein Treuhänder eingeschaltet. Der Waffenverkäufer konnte ermittelt, angeklagt und verurteilt werden. Auch gegen den Betreiber der Seite ("Deutschland im Deep Web") wird eine Anklage vorbereitet.
Im Darknet finden sich laut Ungefuk auch viele Scheinangebote. "Die Auftragsmorde sind fast alle Fakes", erklärt er. "Im Bereich Rauschgiftkriminalität sind hingegen eine Vielzahl von Angeboten real." Der Grund: Wie bei eBay und Co. können Kunden die Verkäufer mit einem Sternesystem bewerten. Anbieter mit Hunderten von positiven Bewertungen machen keine Fake-Angebote, um Kunden abzuzocken.
Drogen dominieren den Handel im Darknet. (Quelle: statista.de)
"Florierender Marktplatz für Abseitigkeiten"
Diese Erfahrung hat auch der Berliner TV-Journalist und Filmemacher Andreas G. Wagner gemacht. Für das ZDF drehte er 2017 die Dokumentation " Mythos Darknet ". Darin bezeichnet er die dunklen Seiten des Internets als "einen florierenden Marktplatz für menschliche Abseitigkeiten". Bei seinen Recherchen stellte er aber auch fest, dass viele Darknet-Angebote nicht real sind. "Es hat ein bestimmtes Image: Nämlich, dass man hier für Geld tatsächlich alles bekommt!", erklärt Wagner t-online.de.
Dieses dunkle Image machen sich sogenannte "Online Scammer" (Betrüger) zunutze, indem sie angebliche extreme Dienste anbieten (Foltervideos, Profikiller, usw.). "Für diese Services muss man dann in vielen Fällen Vorkasse leisten – und hört dann vom vermeintlichen Profikiller oder Folterknecht nie wieder", erklärt Wagner. "Im Darknet kann man auf zweierlei Weise Geld mit Illegalem verdienen: Indem man es tatsächlich verkauft. Und indem man so tut, als ob." Der TV-Journalist erklärt: "Je spezieller oder extremer meine Anfrage ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein Gegenüber mich reinlegen möchte und mit der Vorkasse verschwindet".
"Es gibt definitiv einen Markt für verbotene Pornografie"
Den Handel mit Kinderpornos im Darknet schätzt Wagner als eher kleiner ein. "Zur Zeit unseres Films ging man von nur 30.000 .onion-Seiten aus", so Wagner. Von denen hatten gut die Hälfte illegale Inhalte.
"Von der Größe her kann das Darknet sicher nicht mit dem googlebaren Netz konkurrieren", erklärt der TV-Journalist. Fälle wie "Elysium" würden zeigen, dass es unter diesen wenigen Seiten große, internationale Netzwerke gibt. Das zeige, dass es hier definitiv einen Markt rund um verbotene Pornografie gibt.
Kinderporno-Plattform "Elysium": Vier Betreiber wurden 2018 angeklagt. (Quelle: Arne Dedert/dpa)
Die Gefahr, erwischt zu werden, steigt
Die Gefahr, im Darknet mit Kinderpornos erwischt zu werden, steigt laut Wagners Einschätzung weiter. "Eben weil das Darknet von vielen Menschen als rechtsfreier Ort wahrgenommen wird, in dem es alles gibt, gehen Ermittler seit einigen Jahren verstärkt gegen illegale Marktplätze im Internet vor. Das heißt, der Ermittlungsdruck im Tornetz ist heute definitiv höher als noch vor fünf oder zehn Jahren. "
Die Arbeit der Spezialeinheiten bei den Staatsanwaltschaften, wie die ZIT, bezeichnet er als "fast immer traditionell". "Das heißt: Die Ermittler hacken nicht technisch die Computer oder die Verschlüsselung von Darknet-Usern, sondern versuchen eher, die Nutzer solcher Kinderpornoringe zu enttarnen, indem sie mit ihnen in Kontakt treten." Dazu durchsuchen die Ermittler zum Beispiel das "normale" Internet nach Spuren, die die wahre Identität des Darknet-Nutzers verraten könnten, sie überwachen Briefkästen oder überreden die Täter zu einem Treffen.
Keuschheitstest für Strafverfolger und Lockvögel?
Kein Wunder, denn technisch gesehen sei die Verschlüsselung durch Tor auch heute noch – trotz Berichten über Fähigkeiten des FBI – als "qualitativ sehr hoch" einzuschätzen.
Sollten Strafverfolger denn selbst Kinderpornomaterial anbieten dürfen, um in solche Foren zu kommen? Der TV-Autor sieht das kritisch: "Dieser Keuschheitstest wird natürlich deshalb verlangt, eben weil Ermittler genau das nicht dürfen. Egal, ob es sich um normale oder illegale Prostitution, Waffen- oder Drogenhandel handelt." Beinahe jede Szene habe ähnliche Methoden entwickelt, um sicher zu gehen, dass sie Produkte nicht einem Polizisten oder Lockvogel anbieten. Selbst wenn diese Hürde im Falle von Kinderpornos für Ermittler weg falle, würden sich die Täter einfach neue "Keuschheitstests" einfallen lassen, glaubt Wagner. "Damit bleibt das Ursprungsproblem bestehen."