Cyber-Angriffe auf deutsche Unternehmen: Die Statistik der Woche
Die Anzahl der Straftaten im Bereich Cybercrime ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Insgesamt hat das Bundeskriminalamt für 2021 rund 146.363 Delikte registriert – ein Anstieg von etwa 12,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Statistik der Woche (Bild: shutterstock/3dmask ) In unserer wöchentlichen Rubrik präsentieren wir Zahlen, Kurven und Diagramme aus Technologie und Wissenschaft. Mehr Artikel zur "Statistik der Woche"
Wie die Infografik von Technology Review und Statista zeigt, ist Computerbetrug mit etwa 113.000 Fällen die häufigste Form der Cyberkriminalität in Deutschland. Die Anzahl der Straftaten ist jedoch auch in allen anderen Kategorien erkennbar angestiegen. Der Begriff "Cybercrime" (IuK-Kriminalität) umfasst alle Straftaten, die unter Ausnutzung der Informations- und Kommunikationstechnik oder gegen diese begangen werden.
Cyberattacken sind neben Privatpersonen auch für Unternehmen eine wachsende Gefahr. Die Experten von Allianz Global Corporate & Specialty identifizieren Cybervorfälle als größtes Geschäftsrisiko im Jahr 2022, noch deutlich vor Naturkatastrophen oder dem Ausbruch einer weiteren Pandemie. Vor allem mittelständische Unternehmen sollten daher im Bereich IT-Sicherheit in großem Umfang aufrüsten. Diese wiegen sich häufig in falscher Sicherheit, wie eine Umfrage des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verdeutlicht.
Demnach erkennen zwar 76 Prozent der 300 befragten Unternehmensentscheider, dass das Risiko Opfer einer Cyberattacke zu werden, für Unternehmen in Deutschland hoch ist – ihre eigene Firma sehen jedoch nur ein Drittel der Umfrageteilnehmer in Gefahr. Laut GDV-Chef Jörg Asmussen wird die Bedrohung durch Kriminelle im Internet vom Mittelstand noch immer nicht ernst genug genommen. Zudem würde die Qualität der vorhandenen Sicherheitssysteme überschätzt.
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(jle)
Statistik veröffentlicht: BKA-Zahlen zu Cyberkriminalität spiegeln nicht die Wirklichkeit wider
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat am 11. November sein Cybercrime Bundeslagebild veröffentlicht. Darin wertet die Behörde alle polizeilich erfassten Cyberdelikte des Jahres 2018 in Deutschland aus. Tatsächlich ergibt sich aus diesen Zahlen kein realistisches Bild über den deutschen Status quo in Sachen Cybercrime. Als Grundlage diente den Beamten die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die 2018 unter anderem folgende Zahlen registrierte:
87.106 Fälle von Cybercrime im engeren Sinne
271.864 Fälle von Straftaten mithilfe des Internets
61,4 Millionen Euro Schaden durch Computerbetrug und missbräuchlichen Nutzung von Telekommunikationsdiensten
723 Fälle von Phishing im Onlinebanking
Nur spezielle Verbrechen wurden erfasst
Mit Cybercrime im engeren Sinne sind Straftaten gemeint, die Datennetze, IT-Systeme oder deren Daten als Ziel haben. Darunter fallen:
Computerbetrug in Form von gefälschten Abrechnungen, Kreditbetrug, digitaler Fahrzeugdiebstahl etc.;
Ausspähen/Abfangen von Daten und Hehlerei mit gestohlenen Daten;
Datenfälschung und Täuschung bei der Datenverarbeitung;
Datenveränderung und Computersabotage;
missbräuchliche Nutzung von Telekommunikationsdiensten (Schwachstellen und schwache Zugangssicherung ausnutzen, um unberechtigt Zugang zu Systemen zu erlangen).
Computerbetrug machte laut der Statistik etwa drei Viertel aller Fälle von Cybercrime im engeren Sinne aus. Die Statistik erfasste jedoch nur die Schadenssummen von Computerbetrug (60,7 Millionen Euro) und des Missbrauchs von Telekommunikationsdiensten (400.000 Euro).
Ransomware und DDoS gelten als klassische Delikte
Unter Cybercrime im weiteren Sinne sind Straftaten zusammengefasst, bei denen Informations- und Kommunikationstechnik zum Einsatz kam, um Straftaten zu planen, vorzubereiten und auszuführen. Hier kommt das "Tatmittel Internet" ins Spiel. Davon spricht der Report, wenn das Internet bei der Umsetzung eine wesentliche Rolle spielte. Dazu zählen beispielsweise Erpressung im Zusammenhang mit DDoS-Attacken oder Abwicklung von illegalen Geschäften bei Online-Versandhäusern.
Die Schadenssummen für Cybercrime im weiteren Sinne wurden in der Statistik nicht erfasst. Erpressungen im Zusammenhang mit gezielten DDoS-Attacken oder Ransomware gelten als spezielle Art klassischer Delikte, in diesem Fall als Erpressung.
Die Zahlen im Kontext
Im Vergleich zu anderen Hochrechnungen für Schadenssummen in Deutschland klingen die vom BKA erhobenen Beträge sehr gering. Laut dem Digitalverband Bitkom erleidet die deutsche Wirtschaft durch digitale und analoge Angriffe jährlich 102,9 Milliarden Euro Schaden. Welchen Anteil an dieser Summe rein digitale Attacken ausmachen, konnte der Bitkom auf Nachfrage der COMPUTERWOCHE jedoch nicht beziffern. Allerdings gaben 70 Prozent der befragten Unternehmen an, einen digitalen Angriff erlebt zu haben.
Die durchschnittlichen Kosten für Cyberangriffe pro Unternehmen untersucht die von Accenture beim Ponemon Institute regelmäßig in Auftrag gegebene "Cost of Cybercrime"-Studie. Befragt wurden 289 Führungskräfte aus 40 deutschen Unternehmen. Demnach beliefen sich die Kosten 2018 im Schnitt auf 13 Millionen Euro pro Unternehmen. Hochgerechnet ergibt das für diese 40 Firmen allein bereits eine Summe von 520 Millionen Euro.
Hohe Dunkelziffer
Dem BKA ist die Diskrepanz zwischen den eigens erhobenen Daten und der erlebten Wirklichkeit in den Unternehmen bewusst. Der Bericht stellt fest, dass der tatsächliche monetäre Gesamtschaden durch Cybercrime nicht allein auf Basis der polizeilichen Kriminalstatistik festgestellt werden könne. Das liege zum einen an der engen Auswahl an erfassten Schadenssummen. Zum anderen bemerkten Unternehmen oft nicht, dass sie Opfer von Cyberkriminalität geworden sind, oder der Angriff kommt über das Versuchsstadium nicht hinaus. Des Weiteren sind eventuelle Folgeschäden schwer zu beziffern. Dazu zählen etwa Gewinnverluste durch Reputations- und Imageschäden.
Die Dunkelziffer sei auch deshalb hoch, weil Unternehmen die Delikte nicht anzeigten. Als Gründe dafür nennt der Bericht:
Es ist noch kein finanzieller Schaden entstanden oder der eingetretene Schaden wird beispielsweise von einer Versicherung reguliert.
Firmen wollen ihre Reputation im Kundenkreis nicht zu verlieren.
Geschädigte erstatten bei Ransomware-Angriffen nur dann Anzeige, wenn ihre Systeme trotz Lösegeldzahlung nicht entschlüsselt würden.
Laut BKA sollten Betriebe jede Tat zur Anzeige bringen. Für das Amt ergäben sich daraus nicht nur neue Ermittlungsansätze für eine effektivere Bekämpfung. Nur mit einer Anzeige sei es möglich, die Täter zu identifizieren und zu verfolgen. Es gelte, die Urheber der Cyberangriffe zu identifizieren, zu sanktionieren und weitere Angriffe zu verhindern. Die abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter spiele dabei eine wichtige Rolle.
Unternehmen können Delikte bei der jeweiligen Landespolizei anzeigen. Dazu gibt es in jedem Bundesland eine zentrale Ansprechstelle für Cybercrime. Die Telefonnummern und E-Mail-Adressen sowie Handlungsempfehlungen der Polizei finden Unternehmen hier.
Rekordwert bei Cyberkriminalität in Baden-Württemberg
Innenminister Thomas Strobl streicht stolz über die Seiten des neuen Sicherheitsberichts. Die Zahlen seien erfreulich, sagt er, und lobt die Polizei. Unklar bleibt allerdings, wie aussagekräftig eine Statistik ist in einer Zeit von Lockdown und Home-Office.
Tasten einer beleuchteten Tastatur. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Illustration
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