Mit falschen Angaben zu ihrer Abstammung sorgt eine bekannte Internetautorin für Aufregung. Auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem prüft nun ihre Familiengeschichte.
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Ein "Spiegel"-Bericht über eine preisgekrönte Bloggerin, die für sich selbst eine jüdische Familiengeschichte erfunden haben soll, hat auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem auf den Plan gerufen. Die in Irland lebende deutsche Historikerin Marie Sophie Hingst soll dem Nachrichtenmagazin zufolge sowohl in ihrem Blog "Read on my dear, read on" als auch gegenüber dem Archiv der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem falsche Angaben über ihre Abstammung gemacht haben.
Hingst war zur "Bloggerin des Jahres" 2017 gekürt worden. Das Team hinter dem Preis "Goldene Blogger" teilte auf Twitter mit, man habe die Preisträgerin um Stellungnahme gebeten und berate über eine Reaktion auf die Vorwürfe. Ein Sprecher von Yad Vashem sagte am Sonntag, von Hingst übergebene Gedenkbögen seien Experten zur weiteren Untersuchung übergeben worden.
"Erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit"
Über einen Anwalt ließ die 31 Jahre alte Bloggerin dem "Spiegel" zufolge mitteilen, dass die Texte ihres Blogs, der am Wochenende nicht mehr erreichbar war, "ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch" nähmen. Es handele sich um Literatur, nicht um Journalismus oder Geschichtsschreibung, zitiert der "Spiegel" die Stellungnahme weiter. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur äußerten sich Hingst und ihr Anwalt inhaltlich nicht. Hingst wolle den "Spiegel"-Bericht zunächst näher prüfen.
Nach "Spiegel"-Recherchen hat Hingst in Wirklichkeit keine nähere jüdische Verwandtschaft – obwohl sie in ihrem Blog und auch in Vorträgen immer wieder davon berichtet hatte. Außerdem habe sie bei der Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Einreichen von sogenannten Gedenk- oder Opferbögen zu 22 angeblichen Verwandten den Eindruck erweckt, große Teile ihrer Familie seien im Holocaust umgekommen. Tatsächlich stammt sie aus einer evangelischen Familie, wie der "Spiegel" nach Recherchen im Stadtarchiv von Stralsund schreibt.
Großvater war offenbar Pfarrer
Ihr Großvater soll nicht wie von ihr behauptet Häftling im Vernichtungslager Auschwitz gewesen sein, sondern evangelischer Pfarrer. Von weiteren angeblich jüdischen Familienmitgliedern fanden sich demnach gar keine Spuren. Dem "Spiegel" zufolge hat der Oberbürgermeister Stralsunds bereits das Auswärtige Amt auf die Darstellungen in den Opferbögen hingewiesen und darum gebeten, die Gedenkstätte Yad Vashem offiziell zu informieren.
Yad Vashem teilte am Sonntag mit, insgesamt seien in der Jerusalemer Einrichtung die Namen von 4,8 Millionen Holocaust -Opfern gesammelt worden. "Oft sind die Gedenkseiten der einzige Nachweis für die Existenz eines Holocaust-Opfers." Die Seiten würden nach ihrer Übergabe kurz geprüft, um grundlegende Informationen zu verifizieren, wie etwa biografische und geografische Angaben.
"Dieser Prozess ist nicht hundertprozentig sicher, und wir sind mitunter auf falsche Informationen in diesen Seiten hingewiesen worden." In solchen Fällen korrigiere man das Archiv. Grundsätzlich gehe man davon aus, dass die Gedenkseiten in ehrlicher Absicht ausgefüllt werden, und letztlich sei die Person, die sie einreicht, verantwortlich für den Inhalt.