Die Vorstellung angeblicher neuer Google -Produkte hat am Mittwoch für eine Welle der Entrüstung gesorgt. Eine Internetseite im täuschend echten Google-Design warb unter anderem mit Überwachungs-Drohnen für jeden Haushalt und einer Android - App , die intime Bedürfnisse von Menschen erkennt. Wie sich auf der Internet -Konferenz Republica in Berlin herausstellte, handelte es sich dabei um eine Kunstaktion. Die Satire decke Schwachstellen beim Datenschutz auf, mahnen Netzaktivisten.
Daten auf PC und in der Cloud verschlüsseln
Zum Auftakt der Republica veröffentlichte die Berliner Aktionsgruppe Peng Collective die gefälschten Google-Produkte zunächst auf der Internetseite google-nest.org . Später präsentierten sich zwei Mitglieder des Künstlerkollektivs den nichts ahnenden Konferenzteilnehmern als vermeintliche Google-Manager: "Unser Geschäftsmodell beruht auf dem Wert Ihrer Daten", gestehen sie auf Englisch. Nach fünf Minuten fragt in der ersten Reihe eine Konferenzteilnehmerin: "Das ist ein Witz, oder?"
"Google Hug" erkennt intime Bedürfnisse
Zu den neuen "Produkten" gehört unter anderem Google Hug – "hug" bedeutet Umarmung. Die Smartphone-App soll automatisch in den Datenspuren aller Nutzer nach denjenigen Personen fahnden, die gerade eine Umarmung gebrauchen könnten, erklärt die fiktive Google-Managerin Gloria Spindle und startet den Hug-Dienst.
Alle tun es – vom Affen bis zum Papst
Sogleich liefert die App einen Namen: Jan Josef Liefers soll in der Nähe sein und mit 83-prozentiger Wahrscheinlichkeit gerade etwas menschliche Wärme gebrauchen können. Liefers sitzt dann auch ganz zufällig im Publikum, und bekennt verdutzt, er könne eine Umarmung brauchen. Diese kriegt er dann auch.
Prominente Unterstützung für Netzaktivisten
"Ein solches Szenario macht Angst, egal ob echt oder nicht", sagte später der aus zahlreichen " Tatort "-Folgen bekannte Schauspieler. "Wir sind gefangen in einem Profil, einem Datensatz zur eigenen Person. Wir halten uns für Kunden eines Internet-Dienstes und sind schon längst dessen Produkt. Das ist das Gegenteil von Freiheit." Das Peng Collective hat gleichzeitig mit dem Auftritt in Berlin eine fiktive Pressemitteilung des Suchmaschinen-Giganten herausgegeben, mit Mountain View in Kalifornien als Absender. "Google Hug" sei eines von vier Produkten der neuen Modellreihe "Google Nest" – eine Anspielung auf die Übernahme der Thermostat-Firma Nest Labs durch Google . Und es wird eine Webseite dazu freigeschaltet im bekannten Design des Internet-Konzerns.
"Google Nest" sorgt für Verwirrung
"Nur zur Klarstellung" twittert derweil die offizielle Google-Zentrale in Deutschland, dass "Google Nest" eine Satire sei, "die dazugehörige Website ist ein Fake und stammt nicht von uns".
Der Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht ( Die Grünen ) veröffentlicht eine Pressemitteilung, in der es zu "Google Nest" heißt: "Statt eines warmen Nestes erwartet die Menschen mit den neuen Produkten eine kalte Welt der Diskriminierung und Komplettüberwachung." Die Piratenpartei erklärt, sie verurteile "die zunehmende Datensammelwut des Internetkonzerns Google aufs Schärfste". "Mit #GoogleNest schießt Google jetzt wirklich den Vogel ab", twittert die Europawahl-Spitzenkandidatin, Julia Reda. Ähnlich äußerte sich auch die Linke .
"Das Internet gehört uns"
Jean Peters vom Peng Collective, der in der Rolle des fiktiven Google-Managers Paul von Ribbeck nur mühsam den nötigen Ernst bewahren konnte, will laut eigenen Angaben mit solchen Aktionen die Schnittstelle zwischen Kunst und Politik ausloten. "Hoaxing wird Mainstream", meint Peters. Mit einem "Hoax" umschreiben Internetnutzer eine als Falschmeldung entlarvte Nachricht, die in meist satirischer Absicht weitergeleitet wird. Die fiktiven Google-Manager treiben es auf die Spitze. "Google Nest wird das Internet erneut verändern", erklärt Gloria Spindle zum Schluss. "Wir tun dies in der festen Überzeugung, dass das Internet uns gehört."
Internetnutzer reagieren gespalten
Das Unbehagen an der Datenkrake Google teilen die Aktionskünstler mit vielen anderen auf der Internet-Konferenz. "Wer den Algorithmus programmiert, der bestimmt, welchen Realitätsausschnitt wir zu sehen bekommen", erklärte der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die Macht der Suchmaschine.
In den sozialen Netzwerken reagierten die Nutzer gespalten auf die Kunstaktion. Einige lobten die Satire als "Highlight" der Internetkonferenz, andere verspotteten sie als "nicht mal besonders kreativ". Die Satire sei zu offensichtlich, um besonders lustig zu sein oder echt zu wirken.
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