Ein juristisches Gutachten untersucht frühere Abmahn-Praktiken der Kanzlei U+C, die derzeit die Massenabmahnung der Nutzer der Porno -Streamingseite Redtube betreibt. Die Gutachter entdeckten einige Ungereimtheiten, vor allem bei den geltend gemachten Kosten. Sie kommen zu dem Fazit, dass der Kanzlei stellenweise Betrug zur Last gelegt werden könne. Auch die aktuelle Abmahnungswelle stößt zunehmend auf Kritik.
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Im Auftrag der Piratenpartei hat die Kanzlei Wilde Beuger Solmecke ein Gutachten erstellt , dass sogenannte Mandatsvereinbarung untersucht, die bereits 2010 zwischen der Kanzlei U+C und deren Mandanten in anderen Abmahnverfahren vereinbart wurden.
Das Ergebnis fällt kritisch aus: "Die getroffenen Vereinbarungen können als illegal bezeichnet werden", so das Fazit der Gutachter. Darüber hinaus beschrieben die Vereinbarungen eine Vorgehensweise, die den Tatbestand des Betrugs erfüllten.
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Ungereimtheiten bei der Abrechnung
Konkret geht es in dem Gutachten um die Abrechnungsmodalitäten der Abmahnschreiben. So würden in einem Schreiben an die Abgemahnten Rechtsanwaltskosten von 911,80 Euro aufgeführt. Doch U+C würde seinen Mandaten lediglich 60 Prozent des vom Abgemahnten bezahlten Betrages von 1286,80 Euro in Rechnung stellen. Das entspräche 772,08 Euro und nicht den im Schreiben erwähnten 911,80 Euro.
Darin läge eine Täuschung des Abgemahnten über die Anwaltskosten. Das Gutachten zieht den Schluss: "Der Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB ist erfüllt. Zahlt der Abgemahnte nicht, liegt zumindest noch ein versuchter Betrug vor."
Umstrittene Behauptung Download-Portal
Auch im Fall der Abmahnung von Redtube-Nutzern mehrt sich die Kritik. So ist umstritten, wie der Antrag für die vor dem Landgericht Köln erwirkten Auskunftsbeschlüsse formuliert war. Diese Auskunftsbeschlüsse sind notwendig, damit die abmahnende Kanzlei die Adressen der Anschlussinhaber zu den ermittelten IP-Adressen von Internet -Providern einfordern kann.
In dem Antrag sei eine Formulierung enthalten, die Redtube als Download-Portal einstufe. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Streaming-Portal, die Filme werden nicht vom Nutzer heruntergeladen, gespeichert und dann angeschaut, sondern als Stream angeschaut.
Progressive Downloading statt Streaming
Laut Rechtsanwalt Christian Solmecke, der mit seinem Kollegen Urmann von U+C sprach, berufe sich U+C darauf, dass hier das "progressive Downloading" vorläge. Das bedeutet, dass die gesamte Filmdatei nach dem Anschauen in einem temporären Ordner auf der lokalen Festplatte liegt.
Damit läge ein abmahnfähiger Urheberrechtsverstoß vor und die Formulierung des Antrages sei daher unstrittig. Anwalt Christian Solmecke ist jedoch gegenteiliger Auffassung. Er argumentiert mit Paragraph 53 des Urhebergesetzes, der eine "Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch" als zulässig definiert.
Ist Redtube legal oder illegal?
Die Kanzlei U+C begründet ihre Abmahnung außerdem damit, dass der Nutzer die Filme aus einem illegalen Internetangebot streamt. Nur wenn diese Illegalität gegeben ist, ist überhaupt eine Urheberrechtsverletzung nach Paragraph 53 Absatz 1 des Urhebergesetzes möglich. Aber auch diese Auffassung ist umstritten, denn auf Redtube seien mehrere Regelungen zu finden, die das Urheberrecht schützen.
So weise Redtube explizit und ausführlich auf das Urheberrecht hin. Zudem bietet die Plattform den Rechteinhabern über ein Formular die Möglichkeit an, die Löschung von Inhalten zu beantragen. Damit hätte die The Archive AG als Inhaber von Urheberrechten eine effizientere und schnellere Möglichkeit, Urheberrechtsverstöße zu unterbinden, als dies über die laufenden Abmahnungen möglich sei.
Weiterhin bekenne sich Redtube vollumfänglich zum Digital Millennium Copyright Act (DCMA) , einem Gesetz in den USA, das dem Schutz von Urheberrechten dient. Diese Fakten wiedersprächen der Behauptung, das Redtube eine illegale Plattform sei. Damit würde die Rechtsgrundlage für die Abmahnung fehlen.
Differenzierte Betrachtung nötig
Rechtsanwalt und Urheberrechtsspezialist Jörg Dittrich warnt auf Nachfrage von t-online.de vor einer pauschalen Betrachtung des Falles: "Das Thema redtube.com wird meines Erachtens nach künstlich hochdiskutiert. Die ganzen "Experten", die sich bislang zu Wort gemeldet haben, überziehen alle drastisch – und zwar auf beiden Seiten."
Laut Dittrich könne eine Rechtsverletzung beim Streaming nicht per se ausgeschlossen werden. Auf der anderen Seite lasse sich eine Haftung für den Anschlussinhaber auch nicht automatisch bejahen. Dittrich betont: "Man muss – wie so oft – etwas differenzierter an die Sache herangehen, was offenbar derzeit aber keinen interessiert in der Diskussion."
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