Millionenschäden durch Cyberkriminalität
Zwar ist die Zahl der Fälle von Cyberkriminalität im Jahr 2011, die angezeigt wurden, im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen – allerdings nur um rund 0,6 Prozent. So geht es aus dem Bundeslagebild zu Cybercrime 2011 hervor, das vom Bundeskriminalamt herausgegeben wird. Betrachtet man die vergangenen fünf Jahre, ist sogar ein Anstieg zu sehen. 2007 waren es noch gut 34.000 Fälle, 2011 bereits über 59.000. Diese Zahlen zur Kriminalität im Netz beziehen sich jedoch nur auf die Fälle, die auch angezeigt werden. Die Dunkelziffer sei vermutlich um einiges höher, so der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Zierke:
"Fest steht, die Intensität der kriminellen Aktivitäten im Bereich Cyber-Crime und damit hat das für jeden Internetnutzer bestehende Gefährdungspotenzial zweifelsohne weiter zugenommen."
Das größte Feld bei der Cyberkriminalität nimmt laut der Statistik des BKA der Computerbetrug ein - 45 Prozent aller Fälle kommen aus diesem Bereich. Darunter fielen unter anderem, so BKA-Präsident Zierke:
"Das bekannte Phishing von Online-Banking-Daten oder auch der missbräuchliche Einsatz von im Internet abgegriffenen Kreditkartendaten. Insgesamt ein Schaden allein im Bereich Computerbetrug von 50 Millionen."
Der Gesamtschaden durch Cyberkriminalität betrug 2011 laut BKA gut 70 Millionen Euro - rund 16 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Allerdings sind dafür bislang nur zwei Bereiche erfasst. Zum einen der Computerbetrug, zum anderen der Betrug mit Zugangsdaten zu Kommunikationsdiensten, zum Beispiel Email. Bei den Internetnutzern insgesamt ist anscheinend bereits ein Bewusstsein für die Gefahren von Cyberkriminalität vorhanden. Denn drei Viertel, so geht es aus einer Umfrage des Branchenverbandes der Informationswirtschaft BITKOM hervor, fürchten sich davor, Opfer von Computerkriminalität zu werden. Allerdings sei diese Angst größer als das reale Risiko. So der Präsident von BITKOM, Dieter Kempf. Diese Sorge sei aber durchaus berechtigt:
"52 Prozent, also eine knappe Mehrheit der privaten Internetnutzer, hat nach eigenen Angaben bereits persönliche Erfahrungen mit Internetkriminalität gemacht. Das wären in absoluten Zahlen 28 Millionen Personen."
Da diese Hochrechnung eben auf einer Umfrage beruhe und nicht auf der Kriminalitätsstatistik, liege der Wert bei vielen Delikten über der amtlichen Statistik, so BITKOM-Chef Kempf. Den meisten Tätern gehe es darum, Geld zu stehlen, sagt Kempf weiter. Allerdings nehme auch die negative Erfahrung mit verbalen Angriffen zu. 14 Prozent hätten schon unangenehme Anfragen von Fremden bekommen. 2010 seien es noch zwei Prozentpunkte weniger gewesen. Jeder achte hat in der BITKOM-Studie, die unter gut 1000 Internetnutzern durchgeführt wurde, angegeben, im Internet sexuell belästigt worden zu sein – das entspräche 6,5 Millionen Menschen. Fünf Prozent sagten, über sie seien schon einmal Unwahrheiten im Netz verbreitet worden.
Bedenklich nannte BITKOM-Präsident Kempf die Vorbereitung vieler Firmen auf Cyberkriminalität. Laut einer Umfrage von BITKOM unter Unternehmen hat fast die Hälfte keinen Notfallplan für Datenverluste oder andere IT-Sicherheitsvorfälle. Knapp 40 Prozent sehen Angriffe von Hackern, Konkurrenten, Kriminellen oder ausländischen Geheimdiensten nicht als Gefahr. Deshalb sollte generell offener mit dem Thema Cyberkriminalität umgegangen werden, so Kempf – nur so könne ein Erfahrungsaustausch stattfinden.
Statistiken zum Identitätsdiebstahl
Laut der Studie "Europeans' attitude towards cyber security" benutzten im Jahr 2019 durchschnittlich 76 % der Europäer täglich das Internet.
Im Jahr 2015 lag diese Zahl bei 65 %, was einen Anstieg von 11 Prozentpunkten innerhalb von vier Jahren bedeutet. Man muss aber bedenken, dass sich der Durchschnitt stark zwischen den Ländern unterscheidet.
In Schweden beträgt der Durchschnitt 95 %, wobei der Mittelwert in Rumänien bei 61 % liegt. Auch wenn die Digitalisierung in manchen Ländern schneller voranschreitet als in anderen, werden alle Länder immer digitaler. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich dieser Trend verlangsamen wird.
Kriminalitätsstatistik BW: Höchststand bei Cyberattacken - Strobl warnt wegen Krieg in Ukraine
Die Zahl der Straftaten ist laut Kriminalitätsstatistik insgesamt rückläufig. Cyberangriffe nehmen in BW allerdings zu. Strobl befürchtet wegen des Ukraine-Kriegs eine wachsende Gefahr.
Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat am Montag in Stuttgart die polizeiliche Kriminalitätsstatistik für Baden-Württemberg für das vergangene Jahr vorgestellt. Die Zahl der Gesamtstraftaten ist im Land im Jahr 2021 weiterhin rückläufig. Sie liegt mit 486.331 auf dem niedrigsten Stand seit 36 Jahren. Baden-Württemberg werde immer sicherer und sei auch 2021 wieder eines der sichersten Bundesländer gewesen, so Strobl. Die Aufklärungsquote sei nochmals gestiegen und mit 65,3 Prozent die beste seit fast 60 Jahren.
Corona-Pandemie beeinflusst kriminelles Handeln
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Leben geändert. Viele arbeiten im HomeOffice und sind mehr zu Hause. Das beeinflusse auch das kriminelle Handeln, so Innenminister Strobl. Insgesamt gab es laut Statistk weniger weniger Wohnungseinbruchdiebstähle und Straftaten im öffentlichen Raum. Täterinnen und Täter passten sich aber an und suchten sich neue Betätigungsfelder: "Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Coronahilfen, neue Maschen betrügerischer Schockanrufe und das Phänomen der Impfpassfälschungen sind vermehrt zutage getreten", erklärte Strobl.
Anstieg der Cyberkriminalität
Während die Zahl der Straftaten insgesamt demnach also rückläufig ist, gab es erneut einen Anstieg bei der Cyberkriminalität. Mit knapp 11.000 Fällen hat die Zahl der Straftaten bei der Cyberkriminalität im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Den größten Anteil daran hatte mit über 8.000 Fällen der Computerbetrug. Seit 2017 verzeichnen die Ermittlerinnen und Ermittler einen Anstieg der Fallzahlen um mehr als 50 Prozent. Vor allem Delikte der Computersabotage haben zuletzt stark zugenommen. Cyberkriminelle verschlüsseln beispielsweise Dateien eines Unternehmens und fordern hohe Geldsummen für die Entschlüsselung.
BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik 2021 dpa Bildfunk picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod
Strobl: Coronapandemie als "Digitalisierungsbooster"
Die Coronapandemie habe wie ein Digitalisierungsbooster gewirkt, ein Konjunkturprogramm für das Digitale, sagte der Innenminister. Nach früheren Angaben lag der Gesamtschaden durch die Cyberkriminalität alleine für die deutsche Wirtschaft innerhalb der letzten zwei Jahre bei 205,7 Milliarden Euro.
Innenminister Strobl befürchtet angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland eine noch größere Gefahr von Cyberangriffen.
Experte: Besser vor Cyberattacken schützen
Angesichts drohender Gefahr aus dem Netz müssen sich Firmen, öffentliche Einrichtungen und Institutionen aus Sicht eines Experten besser vorbereiten. "Wir müssen jetzt dringend mehrstufige Sicherheitskonzepte für kritische Infrastrukturen erarbeiten, die insbesondere auch analoge Notfallpläne haben", sagte Jörn Müller-Quade vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vergangene Woche der Deutschen-Presse-Agentur.
"Attacken auf die digitale Infrastruktur durch Kriminelle oder staatliche Organisationen bedrohen nicht nur den Wohlstand und die Sicherheit unserer Gesellschaft, sondern auch Freiheit und Demokratie", so der Experte. Viele Angriffe liefen im Hintergrund, um beispielsweise Ziele auszuspähen und größere Attacken vorzubereiten.
Wohnungseinbrüche auf tiefstem Stand seit 50 Jahren in BW
Weniger Sorgen scheint es derzeit beim Thema "Wohnungseinbruch" zu geben. Im vergangenen Jahr gab es laut der Statistik in Baden-Württemberg 3.298 gemeldete Wohnungseinbrüche. Das ist der tiefste Stand seit fünf Jahrzehnten. Vor sieben Jahren gab es noch 10.000 Wohnungseinbrüche mehr. Offenbar haben die Bewohnerinnen und Bewohner im Land ihre Häuser und Wohnungen mittlerweile besser vor Einbrüchen geschützt. Denn fast die Hälfte aller Einbrüche scheiterte laut Innenministerium bereits im Versuchsstadium.
Ein Viertel aller Straftaten sind Diebstähle
Auch die Zahl der Diebstahlsdelikte ist weiter rückläufig, macht aber ein Viertel aller Straftaten aus. Laut der aktuellen Kriminalitätsstatistik gab es 113.535 Diebstahlsdelikte - ein Minus von 16 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 und der tiefste Stand seit Mitte der 1960er Jahre. So verzeichnet die Statistik zum Beispiel bei den Laden-, Taschen- und Trickdiebstählen innerhalb von fünf Jahren einen Rückgang von rund 40 Prozent. Ein wesentlicher Grund sei die Corona-Pandemie. Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie im Einzelhandel, der Ausfall größerer Veranstaltungen und Weihnachtsmärkten sowie die Abstandsregelungen hätten diesen positiven Trend noch einmal beeinflusst. Allerdings sei dieser Rückgang bereits in den Jahren zuvor eingeleitet worden, heißt es aus dem Innenministerium.
Zahl der Sexualstraftaten im öffentlichen Raum steigt
Die Straftaten im öffentlichen Raum, also zum Beispiel Gewaltdelikte und Rauschgiftkriminalität, sind laut dem Bericht ebenfalls zurückgegangen. 2015 war hier der Höchststand. Seitdem ging die Zahl um fast ein Viertel zurück. Die Sexualstraftaten im öffentlichen Raum sind dagegen um knapp acht Prozent angestiegen. Dies sei insbesondere auf die Zunahme der Verbreitung, des Erwerbs, des Besitzes oder des Herstellens kinderpornografischer Inhalte zurückzuführen. Die Aufklärungsquote aller Sexualstraftaten betrug im Jahr 2021 laut Innenminister Strobl gut 89 Prozent. "Das ist der höchste Wert seit mehr als 15 Jahren“, sagte der Innenminister.
Weniger Schockanrufe am Telefon - aber größerer Schaden
Immer neue Maschen erfinden Straftäterinnen und Straftäter, wenn es um betrügerische Schockanrufe geht, sich Betrüger als falsche Polizisten ausgeben oder den Enkeltrick anwenden. Diese Betrugsmasche ging zwar im Jahr 2021 um rund ein Fünftel zurück. Allerdings ist der Gesamtschaden angestiegen, wobei herausragende Einzelfälle teilweise Schäden in Millionenhöhe verursachten.
Anstieg auch bei Politisch motivierten Straftaten
Im vergangenen Jahr verzeichneten die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität in Baden-Württemberg einen Anstieg auf 4.965 Fälle (2020: 3.053), darunter 222 Gewaltstraftaten. Dieser starke Anstieg sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass sowohl die Landtags- und Bundestagswahlen 2021 als auch die Corona-Pandemie Tatanreize und Tatgelegenheiten für politisch motivierte Straftaten boten, die im Vorjahr nicht beziehungsweise noch nicht in dieser Form und Dimension existierten. In Verbindung mit den Wahlen wurden 1.586 Fälle erfasst, darunter größtenteils Sachbeschädigungen. 879 weitere Fälle stehen in Verbindung mit der Pandemie, darunter überwiegend Beleidigungen und Sachbeschädigungen.
Mit 883 Fällen zählt etwa jede sechste politisch motivierte Straftat in Baden-Württemberg zur Hasskriminalität. Hierunter fallen vorurteilsgeleitete Straftaten, die Täterinnen und Täter meistens aus einer Grundeinstellung der Ungleichwertigkeit heraus begehen. Hasskriminalität bezieht sich beispielsweise auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Herkunft.
"Bei uns leben Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Ethnien und Religionen mit ihren eigenen Lebensstilen, sexuellen Identitäten und Orientierungen. Diese Vielfalt gilt es zu schützen. Die Landesregierung geht daher entschlossen und schlagkräftig gegen Hass und Hetze, gegen gesellschaftliche Verrohung und gegen Ausgrenzung vor.“
Strobl geht davon aus, dass es in Baden-Württemberg aber noch viel mehr Hasskriminalität gibt. Die statistisch erfasste Hasskriminalität sei leider nur die Spitze des Eisbergs, so der CDU-Politiker. Man wolle kein Klima, in dem gesellschaftliche Spaltung, Extremismus, Antisemitismus, Verschwörungsideologien auch nur ansatzweise gedeihen könnten. "Wehret den Anfängen!“, sagte Strobl.
Kritik von der Opposition an Strobl
Lob für die Arbeit der Polizei im Land kommt von Strobls Partei CDU. Sie spricht von einer "Erfolgsbilanz". Ganz anders die Opposition. Die AfD wirft Strobl vor, sich mit fremden Federn zu schmücken. Es sei eine Binsenweisheit, dass wegen Ausgangssperren und eingeschränkter Zulassung im Handel die Menschen mehr und öfter daheim seien - und es darum auch weniger Wohnungseinbrüche gebe, sagte der sicherheitspolitische AfD-Fraktionssprecher Hans-Jürgen Goßner.
Ähnlich klingt die FDP. Den Zusammenhang von Corona-Pandemie und weniger Wohnungseinbrüchen nennt sie "naheliegend". Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Julia Goll forderte angesichts der steigenden Bedrohung in der Cyberwelt zudem eine bessere Präventionsarbeit und zusätzliche Cyberkriminalisten und IT-Fachkräfte in den Behörden.
Auch die SPD sieht im Kampf gegen die Cyberkriminalität weiter Nachholbedarf. Das Land sei noch nicht gut genug aufgestellt, um Cyberkriminalität effektiv zu bekämpfen, sagte SPD-Innenexperte Sascha Binder. Der Koalitionspartner der CDU meldete sich ebenfalls zu Wort. Der Sprecher für Digitalisierung der Grünen-Fraktion, Peter Seimer, rief dazu auf, Wirtschaft, Behörden, Verbände und Forschung stärker bei dieser Thematik einzubinden.
Deutsche Polizeigewerkschaft: Statistik hat geringen Aussagewert
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) reagierte zurückhaltend. Die Zahlen wirkten zwar, als sei die Kriminalität zurückgegangen. Allerdings sei die Statistik von geringem Aussagewert. Viele Delikte seien nicht enthalten, darunter Verkehrssünden sowie Finanz- und Steuerbetrug. "Alle Experten sind sich einig, dass die tatsächliche Kriminalität, auch durch das sogenannte Dunkelfeld, erheblich höher ist", sagte der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer. Polizistinnen und Polizisten seien erneut bis an die Obergrenze belastet gewesen. "Und die Wahrheit ist, dass einfach nicht mehr drin war", sagte Kusterer.
Strobl dankt Polizei für ihre Arbeit
Zuvor hatte Strobl bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik der Polizei in Baden-Württemberg für ihre Arbeit gedankt. Dass Baden-Württemberg eines der sichersten Länder sei, habe man vor allem dem beharrlichen und engagierten Einsatz der Polizistinnen und Polizisten zu verdanken.