Spricht man mit Menschen, die sich schon länger mit IT beschäftigen, kommt früher oder später zwangsläufig das Gespräch auf das Thema Datendurchsatz. Sie erinnern sich dann mit wohligem Gruseln daran, wie sie mit Modem oder Akustikkoppler versucht haben, irgendetwas mehr oder weniger sinnvolles über ein Stück Kupferdraht zu übertragen. Aber die Zeiten haben sich geändert: Mit dem Siegeszug von preiswerten Netzwerkkomponenten zunächst für 10-, dann 100- und schließlich 1000-MBit-Ethernet hat sich das Problem in den meisten Fällen erledigt. Aus der früher teuren Netzwerkkarte wurde ein Bauteil auf dem Motherboard. Ein Flaschenhals ist der Ethernet-Anschluss längst nicht mehr. Daher gibt es auch Zweifler, die dem weiteren Ausbau der Technologie auf 10 oder 40 Gigabit wenig Chancen einräumen.
Intel und Dell gehören nicht dazu. Beide stellten ihren Glauben diese Woche unter Beweis, indem sie ein hübsches Sümmchen in den Klingelbeutel warfen. Aber wie das beim Klingelbeutel so ist: Man hört nur das Klimpern, der genaue Betrag bleibt ein Geheimnis zwischen Gott und dem Spender. Es ist weder bekannt, wieviel Intel für den Chipentwickler Fulcrum bezahlt hat, noch wieviel Dell für den Highend-Switch-Anbieter Force10 ausgegeben hat. Klar ist nur, dass beide mit ihrer Transaktion große Hoffnungen verknüpfen.
Die Rahmenbedingungen
„Der Markt für Enterprise Ports mit einem Gigabit und mehr gönnte sich während er Krise 2009 eine kleine Verschnaufpause, kam aber 2010 gestärkt zurück. Das Segment der 40-Gigabit-Ethernet-Ports für Unternehmen wird künftig eines der interessantesten sein. Mit ersten Auslieferungen rechnen wir noch 2011, gefolgt von raschem Wachstum, angeschoben durch den Aufbau großer Rechenzentren“, teilte Matthias Machowinski, leitender Analyst für Netzwerkthemen bei Infonetics Research, vor nicht allzu langer Zeit bei der Vorstellung einer neuen Studie mit.
Infonetics zufolge stieg die Zahl der an Service Provider und Firmen ausgelieferten 1-, 10-, 40- und 100-Gigabit-Ethernet-Netzwerkports 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 43 Prozent auf 184 Millionen an. Der Umsatz der Hersteller legte im selben Zeitraum um 26 Prozent auf über 33 Milliarden Dollar zu. Für 2015 prognostiziert Infonetics einen Umsatz von 52 Milliarden Dollar. Wo der Anstieg herkommt, ist auch klar: 2010 trugen die verkauften Highspeed-Ports – also 10-, 40-, und 100-Gigabit – nur 3 Prozent zu den Stückzahlen bei, dagegen 43 Prozent zum Umsatz.
Die ebenfalls auf den Netzwerkmarkt spezialisierten Analysten der Dell´Oro-Group haben das Segment der 10-Gigabit-Ethernet-Ports noch genauer unter die Lupe genommen. „Wir rechnen damit, dass der Markt für Ethernet-Switches nach den Rekordabsätzen 2010 in diesem Jahr in den meisten Teilbereichen leicht rückläufig ist“, so Dell’Oro-Analyst Alan Weckel. Beispielsweise sei der Umsatz mit Layer-2- und Layer-3-Ethernet-Switches im ersten Quartal 2011 um rund zwölf Prozent zurückgegangen . „Top-of-Rack-Switches mit 10-Gigabit-Ethernet werden 2011 das sich am besten entwickelnde Segment sein, da die Umstellung von Servern von mehreren Gigabit Ethernet-Verbindungen auf zwei 10-Gigabit-Ethernet-Verbindungen noch ganz am Anfang steht.“
In diesem Bereich soll der Umsatz 2011 die Marke von einer Milliarde Dollar überschreiten. Die Dell´Oro-Group erwartet, dass der Wachstumsschub vor allem durch die Errichtung von Rechenzentren kommt, in denen, 10-Gigabit-Ethernet zunehmend sowohl in den Top-of-Rack-Switches, als auch in Blades und in modularen Switches verbaut wird. Bei den Top-of-Rack-Switches nennt das Marktforschungsunternehmen derzeit Cisco, Arista und IBM als die drei führenden Unternehmen, bei Blade-Switches HP , IBM und Cisco und bei modularen Switches Cisco, HP und Brocade.
Dells Übernahme von Force10
Die Übernahme von Force10 , einem wie der Name schon erahnen lässt, auf 10-Gigabit-Switches spezialisierten Anbieter durch Dell, wird an dem Markt wenig ändern. Sie unterstreicht jedoch Dells Ambitionen, die es bereits mit den Übernahmen von Compellent , Ocarina Networks , SecureWorks und bereits 2007 mit dem Kauf von Equallogic kundgetan hat: Die Texaner wollen vom Gerätelieferanten zum Systemanbieter werden und für sich selbst sowie für andere komplette Rechenzentren aufbauen. Ein Grund dafür ist auch die Hoffnung, vom erwarteten Bedarf an Rechenzentren für Cloud-Dienste zu partizipieren.
Intels Übernahme von Fulcrum
Weitreichendere Auswirkungen könnte der Kauf von Fulcrum durch Intel haben. Nachteile hat vor allem Cisco zu befürchten, laut Marktforschern derzeit mit einem Anteil von rund 80 Prozent unangefochtener Marktführer bei High-End-Switches. Profitieren könnten die größeren, nicht spezialisierten Mitbewerber, allen voran Hewlett-Packard. Warum?
Fulcrum entwickelt Chips für Ethernet-Switches in Rechenzentren, insbesondere zum Einsatz in 10-Gigabit- und 40-Gigabit-Ethernet-Netzwerken, verfügt jedoch über keine eigene Fertigung. Intel teilte zu der Übernahme mit, sie sei ein wichtiger Teil der Strategie, Kunden umfassende Basiskomponenten für Rechenzentren anbieten zu können. Dazu gehörten neben Serverprozessoren auch Technologien für Storage und Netzwerke. Unter anderem will Intel Fulcrums Techniken mit seinen Xeon-CPUs kombinieren. Unterm Strich heißt das: Intel will sein Know-how und seine Fertigungskapazitäten einsetzen, um die von Fulcrum entwickelten Chips in großer Zahl und zu günstigen Preisen einer großen Zahl von OEMs zur Verfügung zu stellen.
Auswirkungen für Cisco und HP
Solche Schritte sind in der IT-Branche an sich nichts revolutionäres, sie sind vielmehr Teil der normalen Entwicklung. Das Problem ist eher ein betriebswirtschaftliches, als ein technisches: Angesichts der satten Profite, die Cisco derzeit in dem Segment einfährt – und auf die es aufgrund von Schwächen in anderen Bereichen dringen angewiesen zu sein scheint – wird es Schwierigkeiten haben, auf den durch Intel ausgelösten Preisdruck zu reagieren. Das ist keine spezifische Schwäche von Cisco, sondern ein gewöhnlicher Vorgang in der IT-Branche: Proprietäre Platzhirsche werden oft durch günstigere Massenanbieter mit neuem Konzept überrollt.
Hewlett-Packard mag das nicht gerne hören, aber der Konzern ist mit seiner Netzwerksparte traditionell eher einer der günstigeren Anbieter. Er hat zwar nicht immer den letzten Schrei im Programm, liefert dafür aber solide Produkte zu einem attraktiven Preis. Er bedient also eher die Masse als die Avantgarde. Das Konzept war lange erfolgreich: So konnte man 3Com von Platz zwei im Netzwerkamarkt verdrängen und Cisco gewaltig ärgern. Mit Intel verbindet HP zudem bei den x86-Prozessoren eine tiefe und beim Itanium-Prozessor gar eine nibelungenhafte Partnerschaft.
Es wäre daher nicht erstaunlich, wenn der Konzern – der in den letzten Jahren an eigener Forschung und Entwicklung ohnehin gewaltig gespart hat – sich der von Intel massenhaft gefertigten Technologie bedient, um Cisco an einer empfindlichen Stelle zu treffen: Nicht bei den vergleichsweise margenschwachen 24- oder 48-Port Gigabit-Ethernet-Switches, sondern bei den hochprofitablen 10-Gigabit-Switches für die Rechenzentren der Zukunft. Gleichzeitig könnte es HP helfen, Ciscos Angriff auf den Servermarkt zurückzuschlagen, indem man den Preisvorteil bei den Netzwerkkomponenten nutzt, um attraktivere Gesamtlösungen zu schnüren. Für Firmen ist das alles eher positiv zu sehen: Wenn sich die beiden großen Konzerne ausstechen wollen, wird das in der Regel auch über den Preis passieren. Unternehmen kommen so günstiger an neue Technologie.