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Zahlungssysteme und Banktransaktionen
Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Internets und die Nutzung von mobilen Geräten zieht auch eine Veränderung des Zahlungsverkehrs mit sich. Daher ist es notwendig, dass Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit eine angemessene Höhe haben, damit wir als Kunden die Vorteile auch weiterhin ohne Bedenken nutzen können. » zum Projekt
Internet - Bund fördert IT-Sicherheitsforschung mit 350 Millionen Euro
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Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will in den kommenden fünf Jahren mindestens 350 Millionen Euro in Forschung zur IT-Sicherheit investieren. Das neue Forschungsprogramm mit dem Titel "Digital. Sicher. Souverän." wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen.
Die Fördermittel sollen außerdem aus dem Konjunkturpaket zur Krisenbewältigung "deutlich aufgestockt werden", kündigte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) an.
"Wir wollen, dass wir alle Chancen, die in der Digitalisierung stecken, sicher und souverän genutzt werden können, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft als auch in Bildung und Kultur und selbstverständlich auch im Privaten", so Karliczek weiter.
Die Ministerin verwies auf die Bedrohungen aus dem Cyberraum, den Menschen, Unternehmen und Organisationen in Deutschland im Alltag ausgesetzt seien. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe allein im vergangenen Jahr 117,4 Millionen neue Schadprogramm-Varianten in Deutschland gezählt. 24,3 Millionen Patienten-Datensätze seien zeitweise frei im Internet zugänglich gewesen. "Und täglich wurden bis zu 20.000 deutsche Computersysteme mit Bots infiziert."
Das Forschungsrahmenprogramm fördert kurzfristig Technologien zum Schutz der Privatsphäre. Dabei gehe es darum, auch die Erhebung personenbezogener Daten zu minimieren, sagte Karliczek. Neue Technologien müssten bei der Nutzung dieser Daten den Schutz der Privatheit sicherstellen. "Dafür planen wir ein Forschungs-Netzwerk "De-Personalisierung und Anonymisierung" ab 2022." Dieses Netzwerk solle künftig deutschlandweit Fragen der Anonymisierung und des technischen Datenschutzes bündeln.
Mittelfristig sollen Forschungsvorhaben gefördert werden, die das "Internet der Dinge" in privaten Haushalten, in der Produktion, aber auch in sensiblen Infrastrukturen sicherer machen. Langfristig fördert das Programm Forschung zur Quantenkommunikation. "Sie wird in Zukunft eine prinzipiell abhörsichere Datenübertragung ermöglichen und ist deswegen auch ein wichtiger Schwerpunkt unseres Programms", sagte Karliczek. Dazu plane die Bundesregierung unter anderem einen "Forschungshub zur Quantenkommunikation", der die Lücke zwischen der exzellenten Grundlagenforschung und der industriellen Entwicklung von Komponenten, Systemen und Lösungen schließen soll.
© dpa-infocom, dpa:210602-99-834700/3
DiI: Dschihadismus im Internet
Extremistische islamistische Gruppierungen bedienen sich vielfältiger Formate, um dschihadistische Propaganda zu verbreiten. Spektakulär und jugendaffin gestaltete Videos können eine große Wirkung entfalten und eine wichtige Rolle bei der Radikalisierung von potenziellen Anhängern spielen. Das Projekt DiI erforscht Inhalte und Gestaltung dschihadistischer Propaganda-Videos im Internet sowie deren Wirkung auf die Zuschauer. Durch die Analyse leistet das Vorhaben einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärungs- und Präventionsarbeit. So soll nicht nur ein wesentlicher Erkenntnisgewinn zu dschihadistischen Video-Botschaften im Internet geleistet, sondern auch eine solide Grundlage für die Erarbeitung von Gegenstrategien, die auf andere Formen von Extremismus übertragbar sind, geboten werden.
"Wie kommunizieren Dschihadisten?" Film zum Forschungsprojekt DiI, SWR Fernsehen RP; veröffentlicht am 5.10.2018 ©
Die politische Kommunikation der Gegenwart findet zunehmend über digitale Medien statt. Bei der Vermittlung von Botschaften spielen Bilder in Form von Fotografien, digital erzeugten Collagen und Filmen eine herausragende Rolle. Wie andere soziale, religiöse und politische Akteure bedienen sich dschihadistische Gruppen und Bewegungen Bilder und Videos, um unterschiedliche Zuschauergruppen zu erreichen. Sie versuchen über das Internet und soziale Medien ihre ideologiegeleitete Interpretation der Realität sowie ihr Verständnis von Religion, Herrschaft und Gesellschaft an ein möglichst breites Publikum zu streuen.
Die interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe „Dschihadismus im Internet (DiI)“ untersucht mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Disziplinen Ethnologie, Medien- und Filmwissenschaft sowie Islamwissenschaft diese Inhalte und fragt danach, was und wie Dschihadistinnen und Dschihadisten kommunizieren und wie Mediennutzerinnen und Mediennutzer darauf reagieren.
Seit Juli 2017 wird das auf fünf Jahre angelegte Projekt im Rahmen der Bekanntmachung „Zivile Sicherheit – Nachwuchsförderung durch interdisziplinären Kompetenzaufbau“ mit 2,7 Millionen Euro vom BMBF gefördert. In einem dreigliedrigen Arbeitsprozess werden Methoden ethnografischer Forschung mit qualitativer Bild- und Videoanalyse sowie mit neuen digitalen Methoden der Geistes- und Kulturwissenschaften kombiniert.
Neue Software zur Analyse dschihadistischer Propaganda
Videos sind komplexe Medien, die eine Vielzahl sensorischer Reize gleichzeitig aussenden. Um dieser Komplexität gerecht zu werden und der Frage nachzugehen „Welcher Sinn verbirgt sich in diesem Video?“, braucht es möglichst viele Augen und Ohren, d.h. verschiedene disziplinäre Perspektiven. Dieser Maßgabe versucht die Nachwuchsforschergruppe durch kollaborative, zum Teil zeitgleiche Analysen von Bild- und Videomaterial gerecht zu werden. Dafür wird eine Software benötigt, die einen umfangreichen Werkzeugkasten bietet, mit dem sich Bilder, Videos und Töne sowie Forschungsdaten ordnen und archivieren lassen.
Da die zum Zeitpunkt des Förderbeginns erhältlichen Programme diesen Anforderungen nicht gerecht wurden, entwickelte das Unternehmen bitGilde IT Solutions UG aus Berlin in Zusammenarbeit mit den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Konsortialführung der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz die Videoannotationssoftware TIMAAT (Time Based Image Annotation Tool). Annotation bezeichnet dabei die Möglichkeit, mit Hilfe eines Programms Bilder und Videos mit zusätzlichen, erklärenden Informationen zu versehen.
Analyse des Videos „Fitrah - The West behind the Mask“ (al-Muhajirun, 2017) mit der neuen Annotationssoftware. Die Produzenten des Videos nutzen dem europäischen Publikum vertraute Darstellungsformen. © Projekt Dschihadismus im Internet
Mit der Software kann das Videomaterial auf vielfältige Weise erschlossen, verwaltet, mit Anmerkungen versehen und Auszüge gezielt zusammengestellt und geschützt publiziert werden. Am Beispiel eines Videos aus dem Jahr 2017 lässt sich dies gut demonstrieren. „Fitrah – the west behind the mask“ zählt mit 35 Minuten Spieldauer zu den längeren Videos in der Datenbank des Projekts und wurde von einer relativ kleinen Gruppierung produziert und in Arabisch mit englischen Untertiteln veröffentlicht. Das Video thematisiert anhand der autobiographischen Erzählung eines deutschen Konvertiten zum Islam gesellschaftliche Missstände im „Westen“.
Die Produzenten nutzen dabei Darstellungsformen, die einem europäischen Publikum vertraut sind, beispielsweise investigative Formate oder Reportagen. Sie verwenden aber auch visuelle Effekte, die die Erzählung unterstützen. In dem Video soll den Betrachterinnen und Betrachtern zum Beispiel durch einen Grünstich des Bildes noch deutlicher die Tristesse der Vereinsamung älterer Menschen in unserer westlichen Gesellschaft vor Augen geführt werden. Zusätzlich werden auf der Tonebene bedrohlich wirkende tiefe Klänge eingespielt, die den Effekt des Unbehagens unterstützen. In leuchtenden Farben strahlen hingegen Bilder von Moscheen und betenden Muslimen, die dabei auch mit einem Gebetsruf unterlegt sind. Sie illustrieren den Moment des „Erwachens“ des Protagonisten und schaffen einen deutlichen visuellen und emotionalen Kontrast zwischen den dargestellten Gesellschaften.
Umfangreiche Anforderungen an die Video- und Bildanalyse
Diese und viele weitere Beobachtungen zu den Botschaften von Propagandavideos, ihrer Dramaturgie und visuellen wie akustischen Gestaltung werden mit der Software festgehalten. Sie erlaubt es auch, die Aufnahme, Weiterverarbeitung und Verbreitung des Materials, beispielsweise in sozialen Netzwerken, besser nachzuvollziehen.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Kommunikation militanter Gruppen keinesfalls in einem Vakuum stattfindet, sondern vielfältige Bezüge zu Praktiken der Medienproduktion und -nutzung aufweisen, die uns allen sehr vertraut sind. TIMAAT bietet für die Sichtbarmachung der verschiedenen komplexen Zusammenhänge bereits vielfältige Möglichkeiten und soll weiter verfeinert werden. Außerhalb der Forschungspraxis ist eine Anwendung bei Institutionen der politischen Bildung, im Rahmen von Medienkompetenzworkshops mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen oder als Teil von Projekten der Primärprävention denkbar. Hier können die Möglichkeiten des Programms einerseits dazu dienen, Primärmaterialien so mit Informationen anzureichern, dass sie in Vorträgen eingebunden werden können. Zum anderen können junge Erwachsene im Rahmen von Workshops ihre eigenen Erkenntnisse über audiovisuelle Medien festhalten und mit anderen diskutieren. Der Quellcode des Programms soll zudem nach Ende des Projektes allen Anwenderinnen und Anwendern sowie Entwicklerinnen und Entwicklern zur Nutzung und Weiterentwicklung frei zur Verfügung gestellt werden.
Autor: Dr. Christoph Günther, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Weiterführende Informationen zum Forschungsprojekt:
Förderkennzeichen: 13N14353
Projektlaufzeit: 06/2017 - 05/2022
Projektumriss DiI (PDF, 157KB, Datei ist nicht barrierefrei)