Kurve Kriegen
Frühe Hilfe statt späte Härte! Mit Blick auf die vielen Opfer, die enormen sozialen Folgekosten, die eine oder ein „Intensivtäterin“ oder „Intensivtäter“ verursacht sowie seine erwartbare soziale Randständigkeit muss die Intervention frühestmöglich erfolgen – und zwar bevor die „Karriere“ Fahrt aufnimmt.
Die Investition von Personal und Geld in der frühen Phase der Auffälligkeiten ist im Vergleich zu später notwendigen Investitionen, Kosten und Maßnahmen gering – und vor allen Dingen wirkungsvoll. Denn: Aus pädagogischen und kriminologischen Gründen ist es zielführend, sich so frühzeitig wie möglich, individuell und passgenau um die Ursachen der Kriminalität dieser jungen Menschen zu kümmern.
Die Fokussierung auf potenzielle Intensivtäterinnen oder Intensivtäter ist mit Blick auf die hohe Zahl verhinderter Taten und Opfer besonders effizient. Zudem wird den jungen Menschen eine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe geboten.
Jugendkriminalität: Erneuter Rückgang bei Pornografie und Gewaltdarstellungen
Im vergangenen Jahr wurden im Kanton Zürich 188 Jugendliche (2020: 215) wegen Pornografie verzeigt. In drei von fünf Fällen leiteten sie pornografisches Material weiter – beispielsweise über Social Media oder in (Klassen-)Chats. In jedem fünften Fall erstellten die Jugendlichen eigenes pornografisches Material von sich und verschickten dieses anschliessend. Fälle, in denen sich Jugendliche bei sexuellen Handlungen filmen, haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Waren es früher primär Mädchen, die meist auf Nachfrage von sich pornografisches Material erstellt haben, sind es mittlerweile in drei von vier Fällen Jungen. Mit durchschnittlich 13,9 Jahren sind die Jugendlichen auffallend jung. Dementsprechend sorglos ist ihr Umgang mit dem Smartphone. Allfällige Konsequenzen werden meist ausgeblendet.
Der leichtsinnige Umgang mit eigenen intimen Fotos und Videos ist nicht zuletzt ein Indiz dafür, dass trotz sinkenden Fallzahlen weiterhin viele Jugendliche mit pornografischen Erzeugnissen in Kontakt kommen. Dabei zeigt sich, dass einerseits manche Videos seit Jahren im Umlauf sind. Andererseits verbreitet sich neues Material rasend schnell.
Der Begriff Jugendkriminalität - Themenabend Jugendgewalt - ARD
Was bedeutet Jugendkriminalität?
Begriffe des Jugendstrafrechts
Jugendstrafrecht | Bild: picture-alliance
Was heißt eigentlich Jugendgewalt?
Von Jugendgewalt spricht man, wenn Personen zwischen 14 und unter 18 Jahre Gewalttaten begehen. Bestraft werden sie nach dem Jugendstrafrecht, das im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt ist. Dabei steht der Erziehungsgedanke nach §4 JGG im Vordergrund. Das könnte beispielsweise die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs sein, in dem Jugendliche lernen auf Konfliktsituationen gewaltfrei zu reagieren.
Wenn die Erziehungsmaßregeln nicht genügen, wird die Straftat eines Jugendlichen härter geahndet. Dazu gehören beispielsweise gemeinnützige Arbeitsleistungen, Zahlung eines Geldbetrags oder Jugendarrest bis zu vier Wochen. Gefängnisstrafen werden nach dem Jugendstrafrecht selten verhängt.
Wann gilt das Jugendstrafrecht?
Bei Heranwachsenden, die zum Zeitpunkt der Tat bereits 18, aber noch keine 21 Jahre alt sind, prüft das Gericht,ob sie nach ihrem Reifegrad nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden sollen. Das Jugendstrafverfahren wird von Jugendgerichten geführt und ist im Gegensatz zum Erwachsenenstrafverfahren nicht öffentlich.
Rechtliche Altersgrenzen
Definition Jugendgewalt | Bild: Das Erste
Was ist das Neuköllner Modell?
Das Neuköllner Modell ist ein vereinfachtes Gerichtsverfahren (nach §§76ff des Jugendgerichtsgesetzes), das kriminelle Jugendliche innerhalb von drei bis fünf Wochen nach der Tat vor Gericht stellt.
Schnell und direkt
Das Modell bietet der Polizei in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, der Jugendgerichtshilfe und dem Gericht, die Möglichkeit, ohne Einhaltung von Formen oder Fristen, unmittelbar auf Straftaten zu reagieren. Ziel des schnellen Verfahrens ist, dass dem Jugendlichen der Zusammenhang zwischen Tat, Urteil und Vollstreckung bewusst wird.
Arrest, Gespräch oder Freizeitarbeit
Das Instrument kommt bei jugendlichen Straftätern zum Einsatz, wenn sie bis 18 Jahre alt sind und die Straftat maximal einen Arrest von vier Wochen nach sich zieht. Neben Arrest können auch Täter-Opfer-Gespräche, regelmäßige Schulbesuche oder Freizeitarbeit angeordnet werden.
Das Neuköllner Modell wurde von Kirsten Heisig zusammen mit ihrem Richterkollegen Stephan Kuperion ausgearbeitet und die Jugendrichterin führte es im Januar 2008 in ihrem Bezirk Neukölln ein. Seit Juni 2010 wird es in der Stadt Berlin eingesetzt. Auch in anderen Bundesländern kommt es mittlerweile zum Einsatz.
Wer ist Intensiv- oder Schwellentäter?
Bei Intensivtätern handelt es sich um Mehrfach-, Wiederholungs-, Serien- oder Rückfalltäter, die eine hohe Gefahr für sich und andere aufgrund von Art, Schwere und Häufigkeit der verübten Straftaten darstellen. Es gibt keine amtliche Definition für Intensiv- oder Schwellentäter, selbst die unterschiedlichen Landespolizeistellen benutzen diesen Begriff nicht einheitlich.
In Berlin gilt als Intensivtäter, wer zehn und mehr schwere Straftaten in einem Jahr begangen hat, in Nordrhein-Westfalen sind es bis zu fünf schwere Taten pro Jahr und Bayern verzichtet bewusst auf eine Klassifizierung. Typische Straftaten von Intensivtätern sind laut Polizei Raub, Körperverletzung, Erpressung und Drogenhandel.
Als Schwellentäter bezeichnet man Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, bei denen sich kriminelle Karrieren schon frühzeitig herauskristallisieren.
Quellen:
Statistisches Bundesamt (Jugendkriminalität in Deutschland)
Faszination Gewalt, von Josef Sachs und Volker Schmidt, orell füssli Verlag
Jugendgewalt. Interdisziplinäre Sichtweisen, Autrata, Otger, Scheu, Bringfriede (Hrsg.), Springer Verlag
Das Ende der Geduld, Kirsten Heisig, Herder Verlag
Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz: Gesetze im Internet