Unterschätztes Risiko: So gefährlich sind Cyber-Angriffe
Eine Gas-Pipeline, ein ferngesteuertes Ventil, und dann die Katastrophe: Der Druck steigt rapide an, die Anlage explodiert. Und das alles, weil sich Cyber-Terroristen in das digitale Steuerungssystem gehackt haben. So oder so ähnlich soll es vor einigen Jahren in Sibirien passiert sein. Und dies ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie Hacker vernetzte Anlagen und Unternehmen manipulieren oder außer Gefecht setzen können. Der jüngste Angriff auf den französischen Sender TV5 Monde hat das Thema Internet-Sicherheit wieder einmal prominent ins Rampenlicht befördert.
Auch hierzulande sind Hacker-Angriffe quasi an der Tagesordnung: Im vergangenen Jahr ist fast jedes dritte Unternehmen in Deutschland Ziel eines Datenangriffs geworden. In den letzten Wochen sollen beispielsweise die Lufthansa und ihre Kunden Opfer einer Cyber-Attacke geworden sein – Unbekannte hatten sich unbemerkt Zugriff auf Meilenkonten verschafft. Branchen-Umfragen zufolge sind besonders häufig kleine und mittelständische Firmen betroffen, die weniger Geld für IT-Sicherheit ausgeben.
Aber auch namhafte Konzerne wie EADS, Thyssen-Krupp, Vodafone, Sony oder eben die Lufthansa werden immer wieder Ziel von Hacker-Angriffen. Mal werden Kundendaten abgegriffen, mal Firmen-Netzwerke geentert. Auch viele große Stromnetzbetreiber werden immer wieder attackiert, bislang jedoch relativ erfolglos. Obwohl das Risiko mittlerweile allseits bekannt ist, wird noch immer zu wenig in die Sicherheit investiert, findet Marc Bachmann vom Digitalverband Bitkom. Er beklagt: "Nur jedes zweite Unternehmen verfügt über einen Notfallplan." Die großen Unternehmen seien zwar in der Regel etwas besser aufgestellt als die kleineren, Nachholbedarf gäbe es jedoch in fast allen Unternehmen. Der Angriff auf TV5 Monde hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell es gehen kann.
Cyberangriffe im Gesundheitswesen sind lebensgefährlich
Cyberangriffe machen auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Dass die dabei angerichteten Schäden nicht auf finanzielle Verluste oder Reputationsschäden beschränkt bleiben, belegt eine neue Studie des Ponemon Institute. Demnach führen Cyberangriffe bei mehr als 20 Prozent der betroffenen US-Gesundheitseinrichtungen zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate.
Proofpoint, Inc. und das Ponemon Institute, ein führendes Forschungsinstitut für IT-Sicherheit, stellen die Ergebnisse einer neuen Studie über die Folgen von Cyberattacken im Gesundheitswesen vor. Der Bericht mit dem Titel „Cyber Insecurity in Healthcare: The Cost and Impact on Patient Safety and Care“ ergab, dass 89 Prozent der befragten Organisationen in den letzten 12 Monaten durchschnittlich 43 Angriffe erlebt haben – also fast einen Angriff pro Woche. Mehr als 20 Prozent der Organisationen, die von den vier häufigsten Angriffsarten (Cloud Compromise, Ransomware, Supply-Chain-Attacke oder Business Email Compromise (BEC)) betroffen waren, verzeichneten einen Anstieg der Patientensterblichkeit.
Für die Studie wurden 641 IT- und Sicherheitsexperten im Gesundheitswesen befragt. Laut der Studie sind Verzögerungen bei Behandlungen und Tests die häufigsten Folgen von Angriffen sind. Dies führt bei 57 Prozent der US-Gesundheitsdienstleistern zu schlechteren Ergebnissen für die Patienten und bei fast der Hälfte zu vermehrten Komplikationen bei medizinischen Verfahren. Die Art von Angriffen, die sich am ehesten negativ auf die Patientenversorgung auswirkt, ist Ransomware. Sie führt bei 64 Prozent der Organisationen zu Verzögerungen bei Behandlungen oder Tests und bei 59 Prozent der Organisationen zu längeren Patientenaufenthalten.
Auswirkungen auf die Patientensicherheit und Pflege im Gesundheitswesen
„Die von uns analysierten Angriffe stellen eine erhebliche Belastung für die Ressourcen im Gesundheitswesen dar. Sie verursachen nicht nur enorme Kosten, sondern haben auch direkte Auswirkungen auf die Patientenversorgung und gefährden die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen“, erklärt Larry Ponemon, Vorsitzender und Gründer des Ponemon Institute. „Die meisten IT- und Sicherheitsexperten halten ihre Unternehmen für anfällig für diese Angriffe, und zwei Drittel sind der Meinung, dass Technologien wie Cloud Computing, Mobile Computing, Big Data und das IoT die Risiken für die Patientendaten und die Sicherheit weiter verschärfen.“
Weitere wichtige Ergebnisse der Studie:
Das unsichere Internet of Medical Things (IoMT) ist ein großes Problem. Organisationen im Gesundheitswesen haben im Durchschnitt mehr als 26.000 Geräte, die mit dem Netzwerk verbunden sind. Obwohl 64 Prozent der Befragten die Sicherheit medizinischer Geräte Sorgen bereitet, beziehen nur 51 Prozent diese in ihre Cybersicherheitsstrategie mit ein.
Unternehmen aus dem Gesundheitswesen fühlen sich sowohl am stärksten gefährdet als auch am besten auf Cloud-Risiken vorbereitet. 75 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Organisation durch Angriffe auf die Cloud gefährdet ist, und 54 Prozent bestätigten, dass ihre Organisation in den letzten zwei Jahren mindestens eine durch eine erfolgreiche Attacke auf die Cloud getroffen wurde. Die Unternehmen dieser Gruppe waren in den letzten zwei Jahren durchschnittlich mit 22 solcher Fälle konfrontiert. Einerseits sind sie am stärksten gefährdet, andererseits aber am besten auf eine Cloud-Kompromittierung vorbereitet: 63 Prozent der Befragten konzentrieren sich darauf, Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf diese Angriffe zu ergreifen.
Ransomware ist die zweitgrößte Gefahr. 72 Prozent der Befragten glauben, dass ihre Organisationen durch Ransomware-Angriffe gefährdet sind, und 60 Prozent sagen, dass diese Art von Angriffen ihnen am meisten Sorgen bereitet. Entsprechend haben 62 Prozent Maßnahmen zur Vorbeugung und Reaktion auf Ransomware-Attacken ergriffen.
Mangelhafte Vorbereitung gefährdet Patienten. Obwohl 71 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sie durch Angriffe über die Lieferkette gefährdet sind, und 64 Prozent dasselbe über BEC und Phishing denken, haben nur 44 Prozent bzw. 48 Prozent eine definierte Methode, auf diese Angriffe zu reagieren.
Die finanziellen Schäden durch Cyberangriffe sind gewaltig. Der teuerste Cyberangriff kostete die betroffenen Organisationen in den letzten 12 Monaten durchschnittlich 4,4 Millionen US-Dollar, wobei der Produktivitätsverlust die größten finanziellen Auswirkungen hatte (1,1 Millionen US-Dollar).
Schulungen und Sensibilisierungsprogramme sowie die Überwachung der Mitarbeiter sind die wichtigsten Schutzmaßnahmen. Organisationen erkennen zunehmend, dass unvorsichtige und nachlässige Mitarbeiter ein erhebliches Risiko darstellen. 59 Prozent ergreifen Maßnahmen, um dem mangelnden Bewusstsein der Mitarbeiter zu begegnen, wobei 63 Prozent von ihnen regelmäßige Schulungs- und Sensibilisierungsprogramme durchführen und 59 Prozent die Aktivitäten der Mitarbeiter im Auge behalten.
Fehlende finanzielle Mittel und Ressourcen stellen weiterhin eine Herausforderung dar. 53 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass ein Mangel an internem Fachwissen eine Herausforderung darstellt, und 46 Prozent sagten, dass sie nicht über genügend Personal verfügen, wobei sich beide Faktoren negativ auf die Cybersicherheit auswirken.
„Das Gesundheitswesen hat im Vergleich zu anderen Branchen traditionell einen Nachholbedarf, wenn es darum geht, Schwachstellen zu beseitigen. Und diese Untätigkeit hat direkte negative Auswirkung auf die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten“, betont Ryan Witt, Healthcare Cybersecurity Leader bei Proofpoint. „Solange die Cybersicherheit eine geringere Priorität hat, werden Dienstleister im Gesundheitswesen ihre Patienten gefährden. Um fatale Auswirkungen zu vermeiden, müssen Organisationen aus dem Gesundheitswesen verstehen, wie sich die Cybersicherheit auf ihre Patientenversorgung auswirkt, und Maßnahmen treffen, die Menschen und Daten beschützen.“
Weitere Informationen:
Hier finden Sie den vollständigen Bericht mit dem Titel „Cyber Insecurity in Healthcare: The Cost and Impact on Patient Safety and Care“.
Cyberangriffe: So gefährlich sind Hacker für die Kliniken
Die allgemeine Bedrohungslage für Krankenhäuser in Sachen Cybersicherheit hat sich in den letzten Jahren verschärft. Zuletzt gab es Angriffe der Hacker auf Kliniken in Düsseldorf und Wolfenbüttel. Doch nicht nur die Anzahl der Angriffe ist gestiegen, auch in Sachen Qualität werden Kriminelle immer besser. So zeigt der Schub, den die Pandemie für die Digitalisierung ausgelöst hat, auch seine Schattenseiten, indem er gleichzeitig neue Möglichkeiten für Angriffe schafft.
Anzeige
Hacker greifen immer öfter Kliniken an und legen den Betrieb lahm
Hacker greifen an
Es herrscht an diesem Sommertag Alarmstufe Dunkelrot im Universitätsklinikum einer kleineren Großstadt, gelegen in der Mitte Deutschlands. Vor dem Haupthaus des Krankenhauses, das mit seinen medizinischen Spezialgebieten und seiner hohen Bettenkapazität ein riesiges Einzugsgebiet versorgt, sind Kranken‑, Notarzt- und Rettungswagen aufgefahren.
Von überall her hört man Martinshörner. Panische Schreie und ein Stimmengewirr dringen aus dem Innern des Gebäudes. Die Bevölkerung wird über Radio und Lautsprecherwagen dazu aufgerufen, das Gebiet rund ums Uniklinikum großräumig zu meiden, um die Rettungskräfte nicht zu behindern.
Viele Hundert Patienten gilt es zu evakuieren und auf andere Krankenhäuser in der Großregion zu verteilen. Sogar über einen Abtransport per Hubschrauber in andere medizinische Spitzeneinrichtungen Deutschlands wird für die dringendsten Fälle, die eine hochspezialisierte Behandlung benötigen, nachgedacht. Rette sich wer kann, ist die Devise. Nur heraus aus dem Gebäude!
Denn um ihrer Lösegeld-Forderung Nachdruck zu verleihen, hatten die anonymen Hacker um die Mittagszeit sämtliche Rechner und Apparaturen des Klinikums auf einen Schlag außer Funktion gesetzt. Mehrere Patienten verstarben auf der Intensivstation oder im Operationssaal noch auf dem Behandlungstisch; das Leben vieler weiterer steht derzeit auf der Kippe. Einheiten der Bundeswehr bahnen sich mit Scheinwerfern und schwerem Gerät einen Weg ins Gebäude – denn sämtliche Türen sind wie von Geisterhand verriegelt.
Kein Licht brennt mehr auf den langen Korridoren des Gebäudes, und vor allem in den Kellern, mit seinen EDV- und Haustechnik-Einrichtungen. Zu allem Überfluss sind die Sprinkler-Anlagen in Gang gesetzt und überschwemmen mit ihrem Löschwasser die Räume und Flure.
Auf dem mittlerweile leeren Parkplatz haben Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk notdürftige Behandlungs- und Erste-Hilfe-Zelte aufgebaut, um die Patienten bis zum Abtransport zu stabilisieren. Wie hoch die Zahl der Todesopfer am Ende des Tages sein wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal näherungsweise zu beziffern. Und Ursache allen Übels wären diese Hacker.
Trojanische Pferde ermöglichen Zugang
Das furchtbare Geschehen hatte vor wenigen Tagen seinen Anfang genommen – auf ganz unauffällige Art und Weise. Eine Reihe von Beschäftigten der Krankenhausverwaltung hatte unverdächtige E‑Mails mit Dateianhängen bekommen – und Betreffzeilen wie „Anamnese Patient Peter Schmidt“ oder „GKV-Unterlagen Frau Meier, * 31.01.1962“. Tatsächlich verbargen sich in den Dateianhängen trojanische Pferde, umgangssprachlich „Trojaner“ – Schadprogramme, mit denen sich die Angreifer Zugang zur Krankenhaus-EDV verschafften. Fast niemand schöpfte Verdacht, denn die E‑Mails hatten persönliche Anreden der Mitarbeiter, Betriebsangehörige des Klinikums als angebliche Verfasser; sogar die institutseigenen Absender-E-Mails stimmten scheinbar – die Adresszeilen waren manipuliert.
Nach der System-Infiltration meldeten sich die Cyber-Erpresser mit einer Forderung von drei Millionen US-Dollar bei der Klinikleitung, zahlbar binnen 48 Stunden in digitaler Bitcoin-Währung. Das Klinikum entschied sich dafür, den Fall zunächst nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, und verständigte die Polizei. Zugleich begann in der IT-Abteilung ein fieberhafter Wettlauf gegen die Zeit. Doch die Hacker hatten das System bereits komplett in der Hand.
Niemand bemerkt zunächst, wie sich Hacker in die Systeme einschleichen
Nach Ablauf des Ultimatums meldeten sich die Hacker zurück. Ihre Forderung betrug nun sechs Millionen Dollar. Zugleich begann das Gebäude verrückt zu spielen: Die Lichter in mehreren Räumen schalteten sich immer wieder an und aus. Die Klimaanlagen auf diversen Stationen stellten ihren Dienst ein, stattdessen sprangen die Heizungen an. Die Öffentlichkeit und die Presse begannen Notiz von den seltsamen Vorkommnissen zu nehmen.
Wenn man der Zahlungsaufforderung innerhalb der nächsten 24 Stunden immer noch nicht nachkomme, hieß es in der zweiten E‑Mail an die Klinikleitung, werde dies Menschenleben kosten. Einen Tag später eröffneten die Erpresser dann die „heiße Phase“ ihres Angriffs. Schnell wurde klar: Um ihre Forderung durchzusetzen, nehmen die Cyber-Kriminellen tatsächlich den Tod von Patienten billigend in Kauf. Sie gehen buchstäblich „über Leichen“.
Ein fiktives Szenario, aber wahrscheinlich
Diese Geschichte hier ist ein extremes Albtraum-Szenario, das hoffentlich niemals wahr werden wird. Wahrscheinlicher jedoch ist es, dass es in den nächsten Jahren in dieser oder ähnlicher Form tatsächlich eintritt. Denn im Rahmen des Krankenhauszukunfts-Gesetzes wird die Digitalisierung und Vernetzung der etwas mehr als 1900 Krankenhäuser in Deutschland massiv vorangetrieben. Mit insgesamt rund vier Milliarden Euro Bundes- und Landesmitteln sollen die Kliniken digital aufgerüstet werden, unter anderem für die elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, dem digitalen Medikationsmanagement, sowie sektorenübergreifenden telemedizinischen Netzwerkstrukturen.
Auch Maßnahmen zur IT -Sicherheit sind zwar durch den Fonds förderbar – doch anhand der bisherigen Erfahrungen zu befürchten ist, dass in einigen Fällen bei der digitalen Aufrüstung Schnelligkeit vor Sorgfalt gehen wird. Hinzu kommt der Trend, neben der Kern-EDV auch die Haustechnik – etwa Licht, Wärme- und Kälteversorgung, Zutrittssysteme – zu digitalisieren, damit sie sich zentral steuern lassen.
Damit aber wird sie ebenfalls angreifbar. 2017, als der Cyberangriff mit der „WannaCry“-Verschlüsselungs-Software weltweit für Chaos und Aufsehen sorgte, gehörte der britische National Health Service (NHS), der etliche Krankenhäuser betreibt, zu den Haupt-Betroffenen. Krankenhäuser mussten schließen, Patienten- und Behandlungsdaten waren nicht abrufbar.
Wegen Sicherheitsmängel durch Cyberkriminelle mussten Kliniken schon Patienten abweisen
Attacken gegen deutsche Krankenhäuser
Und in jüngerer Zeit hat es bereits einige ganz reale Fälle von Cyberattacken gegen deutsche Krankenhäuser gegeben: So musste das Klinikum im mittelfränkischen Fürth im Dezember 2019 nach einem Angriff auf die Haus-IT kurzzeitig Patienten abweisen. Anfang September 2020 wurde das Universitätsklinikum Düsseldorf Opfer einer „Ransomware“-Attacke. Die Angreifer hatten Systemdaten verschlüsselt und Lösegeld für deren Wiederfreigabe gefordert.
In der Folge musste sich das Klinikum von der Notfallversorgung abmelden, planbare und ambulante Behandlungen verschieben sowie bereits vereinbarte Patiententermine und Aufnahmen absagen. Erst nach mehreren Tagen beruhigte sich die Lage wieder. Der Angriff hatte sogar einen – indirekten – Todesfall zur Folge: Eine Notpatientin, die das Uniklinikum Düsseldorf wegen des Cyberangriffs abweisen musste, wurde ins Klinikum Wuppertal umgeleitet. Unmittelbar nach der Ankunft dort verstarb die Frau jedoch. Vermutlich wurden ihr die 30 zusätzlichen Minuten Fahrzeit zum Verhängnis.
Auf Anfrage der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ wollte das Düsseldorfer Uniklinikum das Themengebiet IT-Sicherheit nicht kommentieren. Wie es jedoch in den Medien laut Polizeiangaben hieß, hätten die Hacker ursprünglich die Universität Düsseldorf treffen wollen, nicht das Uniklinikum. Als sie erfahren hatten, dass Patienten wegen ihrer Attacke erheblich gefährdet seien, hätten sie dem Klinikum den digitalen Schlüssel ausgehändigt, mit dem die Daten wieder entschlüsselt werden können. Dass die Täter solche Skrupel zeigten und den Angriff von sich aus abbrachen, kann man im Nachhinein nur als geradezu unvorstellbares Glück im Unglück werten.
Erst Mitte Juli 2021 dann der nächste spektakuläre Angriff, diesmal aufs Städtische Klinikum im niedersächsischen Wolfenbüttel bei Braunschweig. Auch hier hatten Hacker die Krankenhaus-EDV mit Schadsoftware infiltriert und Lösegeld gefordert. Durch eine Schnellabschaltung des Internetzugangs konnte die Einrichtung jedoch offenbar Schlimmeres verhindern und die Systeme mittlerweile wiederherstellen.
Dennoch scheint klar: Die Serie von Cyberangriffen gegen Gesundheits-Einrichtungen scheint erst an ihrem Anfang zu stehen. „Die Fälle Fürth, Düsseldorf und Wolfenbüttel unterstreichen eindrucksvoll, dass die Gefahren, die aus Cyberattacken erwachsen können, durchaus real sind“, konstatiert Michael Schanz, Chefredakteur der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“.
Der einzige Ausweg: digital aufrüsten?
Krankenhäuser rüsten digital auf
Bereits 2017 hatte die Unternehmungsberatung Roland Berger, im Rahmen ihrer jährlichen Krankenhausstudie, 500 Krankenhäuser befragt, ob sie schon mal Ziel von Hackerangriffen geworden seien. Dies bejahten schon damals 64 Prozent der Kliniken. Als Konsequenz reagierten fast alle betroffenen Institute mit der Verbesserung ihres Firewall-Schutzes (98 Prozent), ferner mehrheitlich mit der Ausarbeitung von Notfallplänen, Mitarbeiter-Schulungen zur Systemsicherheit und der Begrenzung des Zugriffs auf externe Inhalte. Knapp jedes dritte Krankenhaus (31 Prozent) verstärkte seine IT-Abteilung auch personell. Alles zum Schutz gegen die aggressiven Hacker.
„Hacker, die sich von außerhalb Zutritt in ein Kliniksystem verschaffen, können im Prinzip alles kontrollieren – einschließlich der Haustechnik“, erläutert Robert Nussholz. Der selbstständige IT-Fachmann aus Köln ist mit seiner Firma work4med GmbH auf EDV-Systeme und Netzwerk-/Sicherheitstechnik im Gesundheitswesen, etwa für Arztpraxen, spezialisiert. „Die Täter gehen sehr geschickt vor. Oft forschen sie das Umfeld ihres Angriffsziels lange im Voraus aus.“ Auch der zweite Schritt, nachdem ein Beschäftigter einen Dateianhang mit dem Schadprogramm geöffnet hat, läuft sehr perfide ab.
„Dabei spielt es keine Rolle, wenn der einzelne Mitarbeiter keine Administrator-Rechte besitzt. Diese erschleichen sich die Täter, in dem sie beispielsweise den Drucker am Arbeitsplatz des Mitarbeiters lahmlegen – das ist von der Ferne aus möglich. Der Betroffene ruft dann die EDV oder Systemtechnik des Hauses zur Hilfe, die dann am Rechner des Mitarbeiters ihr Admin-Passwort, um den Drucker neu zu installieren, eingeben. Auf diese Eingabe wartet die im Hintergrund aktive Schadsoftware und schon haben es die Hacker in den Händen, und können fortan schalten und walten, wie sie wollen.“