Durchbruch bei den Ermittlungen im Fall eines 40-Millionen-Dollar-Bankraubs: Nach SPIEGEL-Informationen haben Beamte den mutmaßlichen Drahtzieher des historischen Cyber-Coups in Frankfurt gefasst. Der Türke soll nun ausgeliefert werden.
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Das Jumeirah-Hotel in der Frankfurter Innenstadt gehört zu den angenehmeren Orten, an denen man sich von der Polizei festnehmen lassen kann. Die Suiten sind luxuriös, der Ausblick auf die Skyline ist fantastisch und der zum Frühstück angebotene Honig stammt aus hauseigenen Bienenstöcken, wie die Herberge ihren gut situierten Kunden verspricht.
In dieses feudale Ambiente platzten in der Nacht zum 19. Dezember 2013 fünf Beamte des örtlichen Kriminaldauerdienstes. Die Kommissare nahmen den Fahrstuhl, glitten in den 17. Stock und stellten nach Informationen des SPIEGEL in Zimmer 1706 das Phantom, nach dem der amerikanische Secret Service weltweit gesucht hatte: Ercan Findikoglu, alias "Predator" alias "Oreon" alias "Amonyak" gilt als einer der talentiertesten Hacker der Welt - und als Drahtzieher eines Bankraubs historischen Ausmaßes.
So schnell knacken Hacker Ihr Passwort
Der Türke soll Kopf einer Bande sein, die in einer Februarnacht 2013 in 24 Ländern weltweit mit manipulierten Kreditkarten insgesamt fast 40 Millionen Dollar erbeutet hat. Hunderte Laufburschen zogen damals in einer konzertierten Aktion zeitgleich los, um Geldautomaten von Deutschland bis Japan zu plündern.
Zuvor waren die Täter in das Computersystem eines I T-Unternehmens mit Sitz im indischen Bangalore eingedrungen und hatten die Datensätze von zwölf Kreditkarten gestohlen. Der Düsseldorfer Staatsanwalt Murat Ayilmaz, der den Coup in Deutschland federführend aufarbeitet, nannte das Delikt einen der "am besten organisierten und durchgeführten Bankraube aller Zeiten".
Zwei "Abkassierer" ertappt
In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt wurden jedoch noch in der Tatnacht zwei "Abkassierer" auf frischer Tat ertappt . Der Zeuge Navarro V. hatte die Polizei gerufen, weil es ihm merkwürdig erschien, dass Maskierte nachts um kurz nach drei in der Schalterhalle einer Deutsche-Bank-Filiale herumlungerten.
Die Streifenpolizisten entdeckten schließlich bei dem Duo nicht nur manipulierte Kreditkarten, sondern auch 168.000 Euro in bar. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Tischler Eduard Z., 36, und seine Mutter Willemina, 57, einige Zeit später zu mehr als vier Jahren Gefängnis. Aus Angst vor den Bossen der Bande hatten die Niederländer stets geschwiegen.
Unklar war daher lange Zeit, wer hinter dem globalen Cyberbetrug stecken konnte. Eine Frage der Kriminalisten lautete: Welche Organisation ist in der Lage, ein globales Verbrechen von dieser Dimension und in dieser Geschwindigkeit durchzuführen? Dafür müssen nicht nur weltweit Laufburschen wie Eduard und Willemina Z. angeheuert und instruiert werden. Viel schwieriger ist es, diese Kleinkriminellen zu disziplinieren, damit sie die Beute auch abliefern.
Auf die Spur gekommen
Schließlich kam der amerikanische Secret Service, der für Finanzermittlungen zuständig ist, nach SPIEGEL-Informationen durch einen Kronzeugen der Bande um Findikoglu auf die Spur. Der 32-Jährige gilt als Computergenie und ist nach eigenen Angaben bereits für ähnliche Delikte in der Türkei zu 22 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil sei jedoch noch nicht rechtskräftig, sagte er der deutschen Justiz.
Findikoglu war - bislang unbemerkt von der Öffentlichkeit - während einer Reise nach Frankfurt gefasst worden. Weil er über das W-Lan-Netz seines Hotels Mails abrief, konnten US-Behörden ihn lokalisieren. 41 Minuten später nahmen deutsche Beamte ihn fest. In seinem Zimmer fanden die Polizisten unter anderem einen Laptop von Dell und mehr als 14.000 Euro in überwiegend großen Scheinen.
Bislang ist ungeklärt, wo der Meisterhacker, dem die amerikanischen Behörden noch zwei weitere Fischzüge gleichen Musters (Beute: 19 Millionen Dollar) vorwerfen, der Prozess gemacht wird. Sowohl die Türkei als auch die USA begehren seine Auslieferung. Findikoglus Anwalt will eine Überstellung seines Mandanten in die Vereinigten Staaten indes unbedingt verhindern. Er hat deswegen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
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