Von dem Datenskandal um Cambridge Analytica dürften nach Einschätzung einer ehemaligen Mitarbeiterin deutlich mehr Facebook-Nutzer betroffen sein als zuletzt vermutet.
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Kundendaten von britischen Bürgern könnten einer Hinweisgeberin zufolge in großem Umfang durch die Kampagne für den Brexit missbraucht worden sein. Es gebe Gründe für die Annahme, dass Firmen des Unternehmers Arron Banks im Jahr 2016 persönliche Daten ihrer Kunden an die Pro-Brexit-Kampagne "Leave.EU" weitergegeben hätten, erklärte Brittany Kaiser, ehemalige Mitarbeiterin der Datenanalysefirma Cambridge Analytica, am Dienstag in einer Stellungnahme für britische Abgeordnete.
Banks unterstützte während des Wahlkampfs für das Brexit-Referendum die Befürworter des EU-Austritts. Laut Kaiser, die am Dienstag auch vor einem Parlamentsausschuss aussagte, könnten beispielsweise Versicherungsfirmen von Banks Daten weitergegeben haben. Auch persönliche Angaben von Mitgliedern der europafeindlichen Partei Ukip könnten unberechtigterweise weitergegeben worden sein.
Kaiser sollte die richtige Zielgruppe ausfindig machen
Kaiser erklärte, sie habe sich im Rahmen von Vertragsverhandlungen für Cambridge Analytica über Monate hinweg regelmäßig mit Vertretern von "Leave.EU" und dem Versicherer Eldon Insurance getroffen. Eldon Insurance gehört zur Unternehmensgruppe von Banks. Kaisers Aufgabe war demnach die Nutzung von Daten, um für die Brexit-Kampagne besonders empfängliche Bevölkerungsgruppen zu ermitteln.
Kaiser arbeitete bis März für Cambridge Analytica. Das Unternehmen hatte bereits vor mehreren Tagen bekundet, nicht für die Brexit-Kampagne gearbeitet zu haben.
Cambridge Analytica steht im Zentrum des Skandals um den Datenmissbrauch beim Online-Dienst Facebook. Dabei geht es um das Abschöpfen der Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern durch die britische Datenanalysefirma, die dann unerlaubt für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump genutzt worden sein sollen.
Daten wurden aus mehr als einer App abgeschöpft
Kaiser geht davon aus, dass weitaus mehr Nutzer von dem Datenskandal betroffen sind, als bisher angenommen wird. Bisher wurde lediglich eine Umfrage-App des Cambridge-Professors Aleksandr Kogan als Quelle für die Daten bekannt. Doch Cambridge Analytica und Partner der Datenanalysefirma hätten auch andere Umfragen betrieben, "üblicherweise mit einem Facebook-Login", erklärte die Ex-Managerin im britischen Parlament. Zuletzt hatte Facebook von schätzungsweise 87 Millionen Betroffenen berichtet.
Sie kenne zwar keine Details zu diesen Umfragen – oder wie dabei die Daten erhoben und verarbeitet wurden, schränkte Kaiser ein. "Aber ich glaube, dass es beinahe sicher ist, dass die Zahl der Facebook-Nutzer, deren Daten auf ähnliche Weise wie von Kogan abgegriffen wurden, viel höher ist als 87 Millionen", betonte sie. Daran seien sowohl Cambridge Analytica selbst als auch nicht direkt mit der Datenanalyse-Firma verbundene Unternehmen beteiligt gewesen.
Cambridge Analytica spielt die Zahlen herunter
Facebook hatte die Zahl der maximal betroffenen Nutzer auf Basis der Kogan-App berechnet. Die Zahl ist so hoch, weil nicht nur Informationen der Umfrage-Teilnehmer selbst gesammelt wurden, sondern auch von ihren Facebook-Freunden. Diesen breiten Datenzugriff hatte Facebook 2014 abgeschafft.
Cambridge Analytica selbst erklärte, man habe von Kogan nur Daten zu rund 30 Millionen Nutzern erhalten. Von anderen Datenquellen der Datenanalyse-Firma war bisher keine Rede. Kaiser arbeitete von Februar 2015 bis Januar dieses Jahres bei Cambridge Analytica und war für Geschäftsentwicklung zuständig.
Facebook wusste bereits seit Ende 2015 von der Weitergabe der Daten aus der Kogan-Umfrage, gab sich damals aber mit der bloßen Zusicherung zufrieden, dass sie gelöscht worden seien. Dass die betroffenen Nutzer damals nicht informiert wurden, bezeichnet Facebook-Chef Mark Zuckerberg inzwischen als Fehler. Facebook prüft jetzt auch andere Apps mit breitem Datenzugang, Ergebnisse dazu wurden bisher aber nicht bekannt.