Kann man Pornos im Internet verbieten? Der Frauenausschuss des Europaparlaments wollte es heute mal versuchen – doch die Parlamentarier leisteten Widerstand. Eine Brüsseler Posse.
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Die Nachricht sorgte für tagelanges Amüsement im Internet: Das Europaparlament will Pornos verbieten . Im Netz, ausgerechnet. Die Vorstellung, wie die EU-Kommissare sich im globalen Labyrinth der Proxy-Server verrennen, löste eine Spottwelle auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken aus. In Großbritannien griffen EU-Gegner den Vorstoß begierig als weiteren Beweis auf, wie weltfremd Brüssel doch sei.
Bericht über Geschlechterstereotypen in der EU veröffentlicht
Stein des Anstoßes war ein 21-seitiges Papier des Frauenausschusses, über das an diesem Dienstag im Europaparlament abgestimmt wurde. Der "Bericht über den Abbau von Geschlechterstereotypen in der EU" kritisiert die sexistische Darstellung von Frauen in den Medien und fordert gesetzliches Handeln.
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Unter anderem wird die alte Parlamentsforderung von 1997 wiederholt, "jede Form von Pornografie in den Medien und Werbung für Sextourismus zu unterbinden". Die EU-Kommission wurde aufgerufen, eine entsprechende Charta für Internetanbieter zu erarbeiten. Ziel sei eine "echte Kultur der Gleichheit im Internet".
Europaparlament streicht "problematische Formulierungen"
Doch diese Passagen, die im Vorfeld für so viel Aufregung gesorgt hatten, finden sich nicht mehr in der finalen Version der Resolution, der das Parlament am Ende zustimmte. Absatz für Absatz wurden die problematischeren Formulierungen aus dem Bericht herausgestimmt – diesen Mechanismus gibt es im Europaparlament.
Von Pornografieverbot ist nach Informationen von Spiegel Online nun keine Rede mehr. Nur der allgemeine Verweis auf die erwähnte Parlamentsforderung von 1997 ist noch enthalten. Der eigentliche Text fordert nun die Gleichstellung von Frauen, ohne konkret auf das Thema Pornografie einzugehen.
Medienpolitiker kritisieren die Forderung scharf
Kurz vor der Abstimmung hatten die Medienpolitiker des Parlaments gegen den Vorschlag protestiert. Als Erster schlug vergangene Woche der schwedische Piraten-Abgeordnete Christian Engström Alarm. Schon wieder werde versucht, die Internetanbieter dazu zu bringen, Bürger beim Surfen zu kontrollieren, bloggte Engström und löste damit einen Social-Media-Proteststurm aus. Er erinnerte daran, dass das Parlament gerade erst den Acta-Pakt wegen solcher Bedenken abgelehnt hatte.
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Auch Sozialdemokraten und Grüne hielten nichts von dem Zensurvorstoß. "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", sagte die SPD-Europaparlamentarierin Petra Kammerevert. "Dieser Bericht schießt weit über das Ziel hinaus." Die verklausulierten Formulierungen könnten leicht in eine Debatte über Internetsperren münden.
Medienpolitik ist eine nationale Angelegenheit
"Man kann Pornografie nicht einfach verbieten", sagte die Medienexpertin, die im WDR-Rundfunkrat schon viele Diskussionen über anstößige Inhalte geführt hat. Es gebe unterschiedliche kulturelle Wahrnehmungen, was Pornografie sei. Deshalb sei die Medienpolitik zu Recht eine nationale Angelegenheit.
Die Grünen-Fraktion hatte am Montag beschlossen, eine sogenannte getrennte Abstimmung ("split vote") zu beantragen. So konnten die Abgeordneten gegen die umstrittenen Passagen zu Internetkontrollen und Porno-Verbot stimmen, aber den restlichen Bericht durchwinken.
Der Frauenausschuss ist angeblich weniger netzaffin
Doch wie konnten die realitätsfernen Empfehlungen überhaupt in den Bericht gelangen? Die Medienpolitiker erklären die Panne damit, dass der Frauenausschuss nicht so netzaffin sei. "Die Aufmerksamkeit für die Internetpolitik ist in den verschiedenen Fachausschüssen unterschiedlich gewichtet", sagte die Grüne Helga Trüpel, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung. Der Frauenausschuss handele "eher im Geiste der Regelsetzung".
Auch wurde der Bericht nicht wie üblich vorab mit den Fachpolitikern außerhalb des Frauenausschusses abgestimmt. "Es war einfach kein wichtiger Antrag", sagte der grüne Abgeordnete Jan-Philipp Albrecht, "da passiert es schon mal, dass komische Formulierungen durchrutschen". Bei dem Papier handele es sich nur um einen "Eigeninitiativbericht" des Parlaments. "Das ist ein Diskussionsanstoß, kein Gesetzentwurf." Nach der Resolution von 1997 seien Pornos ja auch nicht verboten worden, sagte Trüpel.
Mitarbeit: Christian Stöcker