In nur einer Nacht erbeuteten Kriminelle mit gefälschten Kreditkarten 39 Millionen Dollar. Knapp ein Jahr danach ist nun der mutmaßliche Chef der deutschen Cyber-Zelle gefasst worden. Doch in Haft muss Jeroen S. nicht - er darf bis auf weiteres zu Hause bleiben.
So schnell knacken Hacker Ihr Passwort
Es war ein Super-Coup, begangen mit modernsten Mitteln, zeitgleich in 22 Ländern der Welt. Im Februar erbeutete eine Bande von Cyber-Kriminellen mit gefälschten Kreditkarten 39 Millionen Dollar, der Düsseldorfer Staatsanwalt Murat Ayilmaz nannte die Tat später den "am besten organisierten und durchgeführten Bankraub aller Zeiten" . Nachdem zunächst nur die Handlanger gefasst und vor Gericht gestellt werden konnten, nähern sich die Ermittler nun der Führungsebene.
Nach Informationen von Spiegel Online hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag im niederländischen Den Haag den mutmaßlichen Kopf der Zelle festnehmen lassen, die alleine in Deutschland 1,8 Millionen Euro erbeutet hatte. Jeroen S., 37, soll am 19. Februar 2013 in seiner Wohnung die manipulierten Karten und Handys an die Teams ausgegeben haben. In der darauffolgenden Nacht hoben die Kriminellen dann an Geldautomaten in Düsseldorf, Frankfurt, Dortmund, Mannheim, Koblenz, Hamburg, Duisburg, Bremen und Essen Bargeld in großer Menge ab.
Zusammen mit S., der vorbestraft sein soll und wohl einen Cannabis-Shop betreibt, wurden sein Kompagnon Johannes L., 42, und seine Bekannte Tamara O., 30, festgenommen. Die Ermittler gehen davon aus, dass L. an Automaten in Duisburg zugeschlagen hatte, während Tamara O. in Bremen mit dem bereits verhafteten Nikolaos G. aktiv war. S. wiederum soll in Essen etwa 158.000 Euro erbeutet haben.
Alle Augen auf die rechte Hand
Die Fahnder sichten nun Aufnahmen der dortigen Kameras und legen dabei besonderes Augenmerk auf die rechte Hand des offenbar vermummten Täters. Seit einem Unfall mit einem Feuerwerkskörper fehlt dem Niederländer nämlich dieses Gliedmaß.
Für enormen Unmut unter den Düsseldorfer Ermittlern, die den Fall für alle deutschen Tatorte bearbeiten, sorgt indes die Nachsicht der niederländischen Justiz. Obschon die Beamten überzeugt sind, mit Jeroen S. den Kopf der in der Bundesrepublik operierenden Zelle erwischt zu haben, nahmen die holländischen Behörden ihn nicht in Untersuchungshaft.
Wie Johannes L. und Tamara O. muss sich auch S. fortan lediglich regelmäßig bei der Polizei melden und bleibt ansonsten auf freiem Fuß. Auch der Verdächtige Petrus T., 51, wird derzeit nicht ausgeliefert, weil er sich in Holland erst noch wegen einer Trunkenheitsfahrt vor Gericht verantworten soll.
Auf die Spur kamen die Ermittler den Cyber-Bankräubern übrigens nicht durch eine intensive Suche im Netz. Eine derartige Recherche ist aufwendig, örtlichen Behörden wie der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft und Polizei fehlen dazu häufig Mittel und Befugnisse. In diesem Fall war es ein mutmaßlicher Mittäter, der auspackte. In der Hoffnung, mit einer geringeren Strafe davonzukommen, führte er die Fahnder zu dem Hintermann nach Holland.